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Tiffany

Tiffany

Titel: Tiffany
Autoren: Felix Thijssen
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dünn wie Bettekoo, allerdings zwanzig Jahre älter. Ihr Mann stand in Hose und Pullover auf dem Gartenweg und sprach mit einem uniformierten Beamten, der sein Notizbuch ins Licht einer Lampe neben dem Zaum hielt, um erkennen zu können, was er aufschrieb. Ein anderer Beamter saß im Einsatzfahrzeug und telefonierte. »Das glaube ich nicht«, hörte ich ihn sagen. »Es ist nichts passiert. Wenn sie das möchten, können sie das morgen auch noch tun. In Ordnung.«
    Er sah mich und stieg aus dem Wagen aus. »Gehen Sie ruhig wieder schlafen, hier gibt es nichts zu sehen.«
    »Ein Einbruch?«, fragte ich.
    »Wer sind Sie denn?«
    »Ich wohne hier schräg gegenüber …«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    Ich grinste. »Max Winter«, antwortete ich. »Ein früherer Kollege, aus der Herengracht.«
    »Da arbeitet doch auch Johan Wolters?«
    »Nicht zu meiner Zeit.«
    Der Polizist erwiderte mein Grinsen. »Und auch jetzt nicht«, sagte er. »War nur eine Fangfrage. Man muss sich schließlich irgendwie die Langeweile vertreiben. Haben Sie heute Nacht irgendetwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen?«
    »Nur Ihr Blaulicht«, antwortete ich. »Das ist schon ziemlich ungewöhnlich in dieser gutbürgerlichen Gegend.«
    Der andere Beamte kehrte zurück und steckte im Gehen sein Notizbuch in die Brusttasche.
    Er nickte mir gereizt zu und bedeutete seinem Kollegen, sich wieder ins Auto zu setzen. Ich ging zu meinem Nachbarn, der unentschlossen dem Einsatzfahrzeug hinterherblickte. »Haben Sie Schwierigkeiten gehabt?«
    »Ja, aber die Polizei will einfach nichts unternehmen!« Sein Niederländisch klang äußerst gewählt, fast schon affektiert. »Junkies, und das hier in unserem Viertel. Van Gennering, angenehm. Wenn das so weitergeht, ziehen wir nach Friesland. Die haben ja geradezu so getan, als hätte ich diese Prostituierte eingeladen.«
    »Eine Prostituierte?«
    »Ja, von der Ruyterkade oder so.«
    »An der Ruyterkade stehen die doch schon lange nicht mehr.«
    »Da sehen Sie’s, was verstehe ich schon davon? Erst kommt so ein Flittchen an meine Haustür, und dann versucht auch noch ihr Zuhälter, bei uns einzubrechen. Das müssen Sie sich mal vorstellen, als hielte ich sein Pferdchen in unserem Haus versteckt.«
    »Wie sah der Mann aus?«
    »So ein zwielichtiger Typ, ich habe nicht genauer darauf geachtet. Meine Frau hat sofort die Polizei alarmiert, da hat er sich aus dem Staub gemacht.«
    »William!«, rief die große Frau von der Türe aus. »Jetzt komm doch endlich rein!« Sie verschwand im Haus.
    Van Gennering nickte gehorsam. Ich folgte ihm den Plattenweg entlang. »Was wollte das Mädchen denn?«
    Mein Nachbar drehte sich an der Haustür noch einmal nach mir um. »Tja, was wollen diese Mädchen? Geld für Drogen? Einen anderen Zuhälter? Ich befasse mich nicht mit so etwas. Ich schlage ihnen einfach die Tür vor der Nase zu. Gute Nacht.«
    Er ging ins Haus. Kurz bevor die Außenbeleuchtung erlosch, glaubte ich, einen dunklen Fleck zu sehen. Ich fuhr mit dem Finger über das polierte Holz und betrachtete ihn im Schein meiner Minitaschenlampe. Blut. Der Fleck an der Tür befand sich in Höhe meiner Schulter, genau dort, bis wohin auch Tiffanys Kopf gereicht hätte.
    Sie wird aus einem Auto geworfen, will hier um Hilfe bitten, bekommt die Tür vor der Nase zugeknallt. Sie lehnt an der Tür, rutscht runter. Mit dem Strahl der Taschenlampe verfolgte ich den Blutstreifen. Ich beleuchtete die Gartenwegplatten bis hin zu dem niedrigen Zaun. Nirgends Spuren zu sehen. Tiffany schleppt sich über die Straße, stolpert gegen die Container, bricht zusammen.
    Irgendjemand hatte nach ihr gesucht. Ein Zuhälter?
    Heroinhuren arbeiteten höchstens für einen Junkiefreund, selten für einen Zuhälter, und Crackhuren arbeiteten sowieso für niemanden. Und woher hätte ein Zuhälter überhaupt wissen sollen, dass sie aus einem Auto geworfen worden war, und dann auch noch an welcher Stelle? Wenn er in der Nähe gewesen wäre und den Vorfall beobachtet hätte, hätte er sie sofort aufgelesen, und Tiffany läge jetzt nicht in meinem Schlafzimmer.
    Der Einzige, der wissen konnte, wie und wo es passiert war, war der Kunde.
    Ich schreckte aus dem Schlaf hoch. Mir taten sämtliche Knochen weh, und im Mund hatte ich einen Geschmack wie nach Spülwasser. Die Uhr über der Tür zeigte zehn Uhr. Ich stand vom Sofa auf und vollführte mit steifen Gliedern ein paar gymnastische Übungen, um meine Gelenke wieder funktionstüchtig zu machen.
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