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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe
Autoren: Birgit Klaus
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Spiegelneuronen seit vielen Jahren auf der Spur.
    Was machen meine Spiegelneuronen, wenn ein Brathähnchen vor mir liegt? Eigentlich müsste mir dieses doch bei genauer Betrachtung leidtun …
    In diesem Falle ist keine Spiegelreaktion zu erwarten, da Spiegelzellen nur auf Lebewesen reagieren, deren Sprache oder Körpersprache wir verstehen. Die Körpersprache, also der Augenausdruck oder die Gesichtszüge eines Hühnchens, finden im Gehirn eines Menschen keinen Zugang zu den Spiegelzellen. Tiere, die uns sehr nahestehen, d. h. deren Körpersprache wir verstehen, lösen in uns ohne Frage bestimmte Empathiereaktionen aus. Dies ist der Grund, warum es uns widerstrebt, einen Hund oder ein Pferd zu töten, um es zu essen. Bei Fischen oder Hühnern besteht ein deutlich größerer Abstand. Die Gedanken, die wir uns aber über den Sinn oder Unsinn des Tiere-tötens machen, werden in anderen Hirnarealen produziert, vor allem im Bereich des präfrontalen Cortex. Moralische Überlegungen werden vor allem von dort aus in Gang gesetzt.
    Kann man Spiegelneuronen bewusst an- und abstellen?
    Man kann sich durchaus aktiv gegen eigene empathische Impulse stellen, so wie das z. B. Himmler in einer berühmt-berüchtigten Rede von seinen SS-Leuten verlangt hat. Aber auch in anderen Kontexten kann es wichtig sein, empathische Gefühle zu verdrängen, z. B. wenn Chirurgen operieren oder wenn wir das blutende Knie eines Kindes verbinden. Es nützt dem Kind wenig, wenn wir vor lauter empathischem Mitleiden einen Nervenzusammenbruch produzieren. Eine kurze Mitfühlreaktion reicht aus und sollte uns dann alsbald veranlassen, etwas Vernünftiges zu tun, was hilfreich ist.
    Primaten haben ja offenbar auch Spiegelneuronen. Wie sieht es aus bei anderen Tieren?
    Darüber liegen noch keine Ergebnisse vor. Meine Vermutung ist, dass alle Tiere, die sozial abgestimmte Verhaltensweisen zeigen, über bestimmte Formen von Spiegelresonanzen verfügen.
    Ist es ein Zeichen von Fortschritt in der Menschwerdung, wenn Spiegelneuronen besonders aktiv sind?
    Ja und nein. Ohne Spiegelsystem gäbe es keine Empathie. Doch nicht alles, was spiegelt, ist gut. Wir stehen immer in Gefahr, »zu viel« vom anderen in uns hineinzulassen und dabei unsere Identität zu verlieren. Es kommt also darauf an, eine Balance zu wahren.
    Wäre es denkbar, dass wir alle, die wir regelmäßig unsere Spiegelneuronen ignorieren/unterdrücken/ausknipsen etc., wenn wir Fleisch essen, insgeheim einen großen Knacks davontragen?
    Ich würde es nicht pathologisieren. Dass wir massenhaft Tiere töten und verwerten, ist jedoch sicher ein Anzeichen dafür, dass wir dabei sind, uns in vielen Bereichen ein Stück der natürlichen Sensibilität für die Kostbarkeit des Lebens abzutrainieren.
    Nun frage ich mich und abschließend auch Professor Bauer, ob es vielleicht mit der größeren Anzahl an Spiegelneuronen und folglich der größeren Empathiefähigkeit zusammenhängt, dass mehr Frauen als Männer vegetarisch leben. Das hält er zumindest für möglich. Wobei die ersten Vegetarier, die von sich reden machten, Männer waren – und das schon vor langer, langer Zeit.

Die ersten Vegetarier
    Wer mit dem Messer die Kehle eines Rindes durchtrennt und beim Brüllen der Angst taub bleibt, wer kaltblütig das schreiende Böcklein abzuschlachten vermag und den Vogel verspeist, dem er selber das Futter gereicht hat – wie weit ist ein solcher noch vom Verbrechen entfernt?
    … sprach Pythagoras vor rund 2500 Jahren. Der Philosoph ist so was wie der erste »offizielle« Vegetarier der Antike. Er war strikt dagegen, Tiere zu töten und sie zu essen. Vor allem war er überzeugt davon, dass alles, was der Mensch den Tieren antut, irgendwann auf den Menschen zurückkommt. Viele haben sich damals seiner Lebens- und Ernährungsweise angeschlossen. Menschen, die kein Fleisch aßen, wurden daher jahrhundertelang »Pythagoräer« genannt, der Begriff »Vegetarier« etablierte sich erst im 19. Jahrhundert von der englischen Vegetarian Society ausgehend.
    Pythagoras steht mit der Vorstellung, dass wir das, was wir Tieren antun, irgendwann büßen, nicht allein. Interessanterweise sind Menschen aller möglichen Religionen und Kulturkreise unabhängig voneinander zu genau derselben Schlussfolgerung gekommen. Prominent ist die Überzeugung vor allem im Buddhismus und im Hinduismus, aber auch in der Anthroposophie. Das Schlüsselwort der fernöstlichen Religionen heißt in diesem Zusammenhang »Karma«. Es bedeutet
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