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Tier zuliebe

Titel: Tier zuliebe
Autoren: Birgit Klaus
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Das würde die Krabbe sehr wesentlich vom Rind unterscheiden. Es würde aber auch dazu führen, dass wir ganz sicher keine Kraken essen dürften, weil sie sehr hoch entwickelt sind. Es würde sich somit eine Art Abstufung entwickeln: Tiere, die wir auf gar keinen Fall essen dürfen, bis hin zu Tieren, wo wir sagen würden »na ja …«.
    Welche Tiere dürften wir dann nach dieser Unterscheidung essen?
    Es gibt natürlich keine sicher festgelegte Grenze. Als ein Mensch, der sich sehr intensiv mit Fischen beschäftigt hat – das ist eine große Leidenschaft von mir –, weiß ich, dass es auch unter Fischen enorme Intelligenzbestien gibt, die mit Sicherheit Wünsche und Absichten haben. Wir wissen heute auch, dass die Leidensfähigkeit von Fischen enorm ausgeprägt ist, nachdem die Angler uns jahrhundertelang erzählt haben, Fische würden nicht leiden. Fische leiden sehr. Insofern gilt das Argument: »Einen Fisch essen ist weniger schlimm als ein Huhn« sicherlich nicht. Es gibt eine Reihe von Fischen, die intelligenter sind als Hühner. Sichere Grenzen gibt es nicht. Da ist immer eine Grauzone, in der wir entscheiden müssen.
    Gibt es denn in der Philosophie ein einziges Argument dafür, Tiere zu essen?
    Ich kann Ihnen ein lustiges sagen: Ein Schwein kann wenigstens potentiell weglaufen, ein Salat kann es nicht. Aber das wichtigste Argument ist eigentlich kein philosophisches. Man sagt, der Mensch hätte sich nicht so entwickeln können und nicht überleben können, wenn er nicht Tiere gegessen hätte. Das stimmt. Man kann einem Inuit am Polarkreis nicht verbieten, eine Robbe zu essen oder Wale, weil er sonst sterben würde. Er könnte sonst gar nicht genug Eiweiß zu sich nehmen. Aber in unserem Kulturkreis müssen wir definitiv kein Fleisch mehr essen, da hat sich einiges verändert.
    Es heißt immer, dass unser Gehirn sich nicht hätte entwickeln können, wenn wir kein Fleisch gegessen hätten …
    Das ist eine sehr lustige These. Sie stammt aus den Zwanzigerjahren. Schon im neunzehnten Jahrhundert gab es die Parole: »Geist braucht Fleisch«, in den Zwanzigerjahren hat man versucht, das wissenschaftlich zu beweisen, auch noch in den Fünfziger- und Sechzigerjahren. Es gehört zu den hartgesottensten Gerüchten, die unausrottbar sind, dass die tierischen Proteine Grund für das Gehirnwachstum waren. Wenn wir die Frage ganz ehrlich beantworten wollen, dann müssen wir sagen: Wir wissen es nicht. Wir wissen überhaupt gar nicht, warum das menschliche Gehirn in der Zeit vom Australopithecus bis zum Homo sapiens seine Kapazität mehr als verdreifacht hat in einer relativ kurzen Zeit. Kein Paläoanthropologe, kein Hirnforscher weiß ganz genau, warum das so war. Die Proteine mögen einen Beitrag dazu geleistet haben, aber sie waren mit Sicherheit nicht der Hauptgrund.
    Inwiefern ist es ein Zeichen der geistigen Reife und Entwicklung der Spezies Mensch, dass er auf Fleisch verzichtet?
    Als einziges Lebewesen, das in der Lage ist, moralische Normen aufzustellen, also nicht nur ein »Wollen« zu formulieren, sondern auch ein »Sollen«, und als einziges Wesen, das einen umfassenden Gerechtigkeitssinn hat, wäre es doch merkwürdig, dass wir von dieser Fähigkeit gegenüber Tieren keinen Gebrauch machten, obwohl wir uns doch so rühmen, dass wir uns kraft dieser Fähigkeit von ihnen unterscheiden.
    Ist es also eine Art Bestimmung des modernen Menschen, sich vegetarisch zu ernähren, oder würde das zu weit gehen?
    Ich halte eine vegetarische Ernährung für die ethisch konsequentere Form der Ernährung. Ich würde mich aber nicht auf einen Marktplatz stellen und die Leute dazu auffordern, Vegetarier zu werden, weil ich weiß, wenn man zu große Anforderungen an Menschen stellt, die nicht bereit sind, darauf einzugehen, dann blockieren sie. Deshalb glaube ich, dass wir den langen Weg nehmen müssen über das Verbot der industriellen Tierhaltung, über Ökohöfe und vieles andere mehr, um die Sensibilität sukzessiv in der Bevölkerung zu steigern, und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.
    Wie handhaben Sie das mit dem Fleisch: Sind Sie Vegetarier?
    Ich esse ab und zu Fleisch, aber durchaus mit schlechtem Gewissen. Und habe in der Zeit, in der ich mein Buch über das Verhältnis von Mensch und Tier geschrieben habe, meinen Fleischkonsum deutlich reduziert – ich hatte zuvor viel Fleisch gegessen – und habe dann angefangen, erst mal keine Wurst zu kaufen und dann mehr und mehr auf Fleisch zu verzichten. Das war
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