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Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall

Titel: Tiepolos Fehler: Kommissar Kilians erster Fall
Autoren: Roman Rausch
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gewiss, die Giovanna, die ich kennen gelernt habe und in die ich … in die ich mich …«
    »Kilian!«, hallte es durch den Saal.
    Furtwanger und er fuhren herum. Es war Heinlein, der sich an der Treppe entlang in den Weißen Saal schleppte. Sein Ausflug über das Tor war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Er hielt sich die Seite. Das Hemd hatte sich rot verfärbt.
    »Ich bin hier«, rief Kilian in den Weißen Saal.
    »Sag es«, drängte Ronald.
    »Ist der Furtwanger bei dir?«, rief Heinlein.
    »Komm, sag es, bevor es zu spät ist«, flehte er ihn an.
    »Was empfindest du für mich?«
    Kilian erblickte Heinlein in der Tür, der sich, nach vorne gebeugt, am Türrahmen abstützte, um dann erschöpft in die Knie zu gehen.
    »Sag es … bitte«, bedrängte er ihn mit Tränen in den Augen. Kilian schwand der Mut im Beisein Heinleins. Es schnürte ihm die Kehle zu.
    Ronald erkannte, dass er ihn verloren hatte. Er würde es nicht sagen, er konnte es sich nicht eingestehen. Niemals. Er umarmte Kilian und blickte über seine Schulter ins weite Rund über ihnen. Dort führte Apoll die schöne Beatrix ihrem Kaiser zu. In seiner Hand hielt er eine Statuette, die für ein günstiges Schicksal stand. Engel und Hymen säumten seinen Weg. Darunter Venus und Amor. Neben ihnen Fama, Verkünderin des Ruhmes.
    »Lebe wohl«, flüsterte er ihm ins Ohr.
    Dann ging er an Heinlein vorbei ins Treppenhaus. Heinlein griff noch nach ihm, fasste aber nur Stoff, der durch seine Finger glitt.
    »Ist dir was passiert?«, fragte Kilian.
    »Geh ihm nach. Los!«
    »Lass ihn. Es ist nur Furtwanger.«
    »Er ist unser Mann. Er ist der Mörder!«
    »Nein, Schorsch, er ist …«
    »Verdammt nochmal, hör nur einmal auf mich. Er ist es. Zweifelsfrei.«
    Kilian lief ins Treppenhaus. Hoch oben an der Decke sah er, wie die Verschalung weggerissen wurde und nach unten fiel. Dort war Furtwanger, auf der wackligen Leiter stehend. Er entfernte die Plastikfolien rund um die Bühne und das Deckenfresko.
    »Weg damit. Es ist Zeit. Es sollen alle sehen, was ich geschaffen habe. Ich, Ronald Furtwanger, der größte, schnellste und begnadetste Freskenmaler aller Zeiten.«
    Wer auch immer da oben der Welt etwas beweisen wollte, Giovanna oder Furtwanger, Kilian erkannte in ihnen einen außer sich geratenen, wahnsinnigen Künstler, der sich selbst und sein Werk feierte.
    Der bisher verdeckte Teil des Freskos zeigte Aborigines mit langen Speeren, kleine Kinder, die ums Lagerfeuer knieten, eine Frau, die Würmer in der Hand hielt. Drum herum Dschungel, der bis ans Meer reichte. Darin schwammen Haie und Wale. In der Mitte des Bildnisses saß eine Frau auf einer riesigen Schlange und lehnte gegen einen roten Felsen, den
    Ayers Rock. Erhaben wies sie auf Tiepolo. Sie, die Königin des vergessenen, unterschätzten fünften Kontinents Australien, hatte die Augen und das Gesicht Giovannas. Sie lächelte, wie nur sie lächeln konnte. Sie trug ein rubinrotes Kleid, und in ihrem schwarzbraunen Haar prangten weiße und rote Federn, die sie zu einer Königin machten. In der Hand hielt sie eine Feder, eine weiße lange Feder, die nur sie so meisterhaft führen konnte.
    Furtwanger baumelte mit der Leiter, die vom Gerüst bis nah an die Balustrade heranreichte, gefährlich auf und ab. Noch eine unvorsichtige Bewegung, und sie würde in der Mitte brechen.
    »Gio … Furtwanger, kommen Sie da runter«, befahl Kilian.
    »Los, kommen Sie.«
    Doch Furtwanger hörte nicht, was Kilian sagte. Er war im Bann seines Werkes, triumphierte über seine Kritiker, genoss seinen Erfolg. »Seht ihr das? Seht ihr, was ich geschaffen habe und was die Zeit überdauern wird?«
    Er kletterte die wacklige Leiter höher und kam auf der Bühne zum Sitzen.
    »Ich bin der neue Maestro, der lebendige, der einzige. Ich, der von ihnen hinausgejagt, verspottet, belogen und betrogen wurde. Aber jetzt werden sie verstummen. Sie werden anerkennen, was ich geschaffen habe, in nur zwei Wochen. Alles, wozu meine dilettantische, hochnäsige Cousine nicht taugte, habe ich geschafft. Ich. Ich bin der Beste. Und deshalb musste sie verschwinden, damit ich in ihre Rolle schlüpfen konnte. Und sie war die Rolle meines Lebens, nie wollte ich aufhören, Giovanna zu sein.«
    Kilian überlegte, wie er Furtwanger von dort oben herunterbringen würde, ohne dass er sich etwas antat.
    »Giovanna! Hörst du mich?«, rief ihm Kilian entgegen. Furtwanger wandte sich ihm zu. »Giovanna? Du nennst mich…«
    »Ja, Giovanna. Du bist doch
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