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Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten

Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten

Titel: Tiefsee: Reise zu einem unerforschten Planeten
Autoren: Leo Ochsenbauer
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Architekten Gottfried Semper und Karl Freiherr von Hasenauer haben einst die Pläne für die Fassade und den Stuck in den Innenräumen ausgearbeitet. Dabei wollten sie die wissenschaftliche Erschließung von Welt und Weltraum veranschaulichen – in der damaligen Zeit, eine ganz schöne Herausforderung!« Wir werden hellhörig. Da ist ja schon der erster Zusammenhang: Welt UND Weltraum. Scheinbar war man sich auch im 19. Jahrhundert nicht ganz sicher, in welche Richtung man den Blick eher richten sollte – nach oben oder doch nach unten.
    »Und wie war das mit den Meeren? Gibt es da auch Ausstellungsstücke dazu in Ihrem Museum?« Mit einem treuherzigen Augenaufschlag blicke ich unseren Begleiter an. Der Blick kommt offenbar an. Kurz darauf finden wir uns im 2. Stock in der Zoologischen Abteilung des Museums wieder. Wie wir erfahren, gibt es über 800.000 Exponate in dieser Abteilung – mehr als die Hälfte davon Fische. Und davon wiederum ein nicht unerheblicher Anteil von Bewohnern der tiefsten Tiefen der Weltmeere. Naja, ehemalige Bewohner wohl eher.
    Ein großer Teil der Ausstellungsstücke in diesem Museum stammt von Expeditionen, die unser Land einst rund um die Welt unternehmen ließ. Darunter auch eine der ersten großen Tiefseeforschungsfahrten überhaupt, jene der K.u.K. Militärfregatte Novara, die sie zwischen 1857 und 1859 ganze 10.600 Seemeilen rund um die Welt führte. Dieser Expedition haben wir es übrigens nicht nur zu verdanken, dass in Wien ein Naturhistorisches Museum steht (der Kaiser wusste nicht, wohin mit dem ganzen Zeug, das man ihm aus den entferntesten Ecken der Welt mitbrachte), sondern auch das Kokain, das heutzutage aus vielen In-Lokalen nicht mehr wegzudenken ist. Ganz witzige Sache, wenn man genauer drüber nachdenkt. Immerhin war die »Erfindung« von Kokainpulver nämlich nur ein Unfall. Teil der Ladung bei der Rückkehr nach Wien im Jahr 1859 war – neben etlichen anderen Mitbringseln – ein Ballen Kokablätter. Man hatte sie die lange Reise über an Deck lassen müssen, denn die Lagerräume waren alle schon zum Bersten gefüllt. An den Ballen hatten sich in der frischen Seeluft kristalline Ablagerungen gebildet. Albert Niemann, ein gründlicher deutscher Chemiker, wollte später diese Ablagerungen genauer analysieren und kam darauf, dass dieses Pulver eine berauschende Wirkung hatte. Zwar kannte man in der damaligen Zeit bereits flüssiges Kokain, aber in Pulverform? Das war etwas ganz Neues – das es (bis heute) zu vermarkten galt. Wenn man genauer darüber nachdenkt, kann man mit Fug und Recht behaupten, dass dieses Kokain die erste »Medizin« war, die wir der Meeresforschung zu verdanken haben.
    Dass den redlichen Herren der »Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien« natürlich der Sinn nicht nach Kokain, sondern nach höheren wissenschaftlichen Erkenntnissen stand, versteht sich von selbst. Die damals im Zuge der Novara-Expedition durchgeführten meereskundlichen Untersuchungen, vor allem jene im südlichen Pazifik, revolutionierten die Ozeanographie und Hydrographie der damaligen Zeit.
    »Der Pazifik wird die werten Herren (Damen waren damals bei solchen Expeditionen ganz und gar verpönt) aber wohl auch aus Nationalstolz angezogen haben«, erzählt Thomas, während er uns verschmitzt anlächelt. Was hat denn nun der Pazifik mit Österreich zu tun?
    Unser Dauerstudent kommt jetzt in Fahrt. Langatmig erzählt er uns die Geschichte jener spanischen Jesuitenmönche, die im 17. Jahrhundert auf eine Inselgruppe im Pazifik kamen, um die Einheimischen zum katholischen Glauben zu bekehren. Als sie erfuhren, dass dieser Archipel vom Weltenbummler Ferdinand Magellan einst den unrühmlichen Namen »Inseln der Diebe« erhalten hatte, waren die ehrwürdigen Herren entsetzt. Zu Ehren ihrer vor kurzem erst gekrönten Königin Maria Anna von Österreich, der Witwe des Königs Philipp IV. von Spanien, beschlossen sie kurzerhand, die Inselgruppe auf »Inseln der Maria Anna« umzubenennen. Der einheimischen, indigenen Bevölkerung wird dies wohl ziemlich egal gewesen sein. Aber so kam es, dass seit damals eine Ansammlung von 14 Inseln im Pazifik den Namen der Wienerin »Maria Anna« trägt – der Marianen-Archipel, rund 2.000 Kilometer vor den Philippinen und 2.500 Kilometer vor Japan. Hier, so erzählt uns Thomas weiter, liegt auch die tiefste Stelle der Weltmeere: der Marianengraben mit dem Witjas-Tief. 11.034 Meter geht es hier, östlich der Marianen, in einer 2.542
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