Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tiefer gelegt

Tiefer gelegt

Titel: Tiefer gelegt
Autoren: Janet Evanovich
Vom Netzwerk:
während meiner gesamten High-School-Zeit und später in allen
College-Sommerferien in der Werkstatt meines Vaters im gutbürgerlichen Canton-District von Baltimore. Es ist keine große, schicke Werkstatt, aber sie trägt sich, und mein Dad hat
den Ruf, ehrlich und zuverlässig zu sein.
    Als ich zwölf war, brachte mein Dad mir bei, wie man mit
einem Autogenbrenner umgeht. Als ich damit schweißen
konnte, überließ er mir ein paar Ersatzteile und unseren ausgemusterten Rasenmäher, daraus baute ich mir einen Gokart
zusammen. Mit sechzehn begann ich, einen zehn Jahre alten
verschrotteten Chevy umzubauen. Ich tunte ihn zu einer
Rennmaschine. Damit fuhr ich zwei Jahre lang bei verschiedenen Rennen rund um Baltimore mit.
    »Da ist sie wieder, Leute«, höre ich heute noch den Sprecher rufen. »Barney Barnaby. Die Nummer sechzehn, der
Schrecken von Baltimore County. Sie nähert sich der Nummer
acht. Jetzt zieht sie nach innen. Moment, ich sehe Flammen
aus der Nummer sechzehn schlagen. Jetzt verschwindet alles
im Qualm. Sieht aus, als hätte sie den nächsten Motor verheizt.
Gut, dass sie bei ihrem Dad in der Werkstatt arbeitet.«
    Ich konnte also Autos bauen und Autos fahren. Aber wie
man sie fuhr, ohne dass man sie dabei verheizte, blieb mir ein
Rätsel.
    »Barney«, sagte mein Dad oft, »ich könnte schwören, dass
du diese Motoren nur ruinierst, damit du sie hinterher wieder
zusammensetzen kannst.«
    Möglicherweise unterbewusst. Mit dem Gehirn ist das so
eine Sache. Dafür wusste ich genau, dass mein Bewusstsein es
hasste, wenn ich verlor. Und ich verlor wesentlich öfter, als
dass ich gewann. Also fuhr ich zwei Jahre lang Rennen und
packte dann wieder ein.
    Mein kleiner Bruder Wild Bill fuhr ebenfalls. Ihm war es
egal, ob er gewann oder verlor. Er fuhr Rennen, weil er gern
im Kreis raste und sich mit den anderen Jungs im Weitpinkeln
messen wollte. Bill wurde in seinem letzten Schuljahr gleichzeitig zum Beliebtesten seines Jahrgangs und zum Abgänger
mit den schlechtesten Zukunftsaussichten gewählt.
    Die Erwartungen, die seine Mitschüler in Bills Karriere
setzten, spiegelten seine Lebensphilosophie wider. Wenn arbeiten Spaß machte, würde es Vergnügen heißen. Ich war immer ein ernstes Kind gewesen, während Bill immer gewusst
hatte, wo die Post abging. Vor zwei Jahren hatte Bill Good-bye
Baltimore und Hello Miami gesagt. Es zog ihn in die träge
Sonnenhitze, ans offene Meer, zu den Bikini-Girls.
    Vor zwei Tagen verschwand Bill vom Antlitz der Erde.
Und zwar, während ich mit ihm redete. Sein Anruf hatte mich
mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen.
    »Barney«, brüllte Bill aus dem Hörer. »Ich muss eine Weile
aus Miami verschwinden. Sag Mom, dass es mir gut geht.«
Ich fixierte mit zusammengekniffenen Augen den Wecker.
Zwei Uhr morgens. Nicht allzu spät für Bill, der gern etwas
länger in den Bars von South Beach abhing. Tiefste Nacht für
mich, die ich von neun bis fünf arbeitete und abends um zehn
Uhr ins Bett fiel.
»Was ist das für ein Krach?«, fragte ich. »Ich kann dich
kaum verstehen.«
»Bootsmotor. Pass auf, macht euch keine Sorgen, wenn ihr
nichts von mir hört. Falls ein paar Typen auftauchen und nach
mir suchen, dann stell dich dumm. Es sei denn, es ist Sam
Hooker. Sam Hooker kannst du ausrichten, dass er meinen
Auspuff küssen kann.«
»Typen? Was für Typen? Und was soll das heißen, dass ich
mich dumm stellen soll?«
»Ich muss Schluss machen. Ich muss … o Scheiße! «
Ich hörte im Hintergrund eine Frau schreien, und dann war
die Leitung tot.
    In Baltimore herrscht im Januar arktische Kälte. Der Wind
peitscht vom Hafen her in die Stadt und schneidet durch die
Straßen bis in die Vororte. Jedes Jahr brechen ein paar
Schneestürme und mehrere Eisschauer über uns herein, aber
vor allem liegt eine graue, trübselige, knochenkrachende Kälte
über der Stadt. Inmitten dieser eisigen Trübsal köcheln auf
zahllosen Öfen Töpfe voller Chili, fließt das Bier in Strömen,
werden Würste in harte Semmeln gestopft und Donuts zu einer
Überlebensfrage.
    In Miami ist es im Januar heiß, wie ich inzwischen weiß.
Ich hatte den Mittagsflug ex Baltimore/Washington International genommen und war am späten Nachmittag in Miami gelandet. Als ich losgezogen war, war ich in eine gesteppte Daunenjacke, einen Burberryschal aus Kaschmirwolle, vliesgepolsterte Stiefel und dicke Lammfellhandschuhe gehüllt. Ideal für
Baltimore. Weniger genial für Miami.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher