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Tiefer gelegt

Tiefer gelegt

Titel: Tiefer gelegt
Autoren: Janet Evanovich
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einem Viertel von kleinen Einfamilienbungalows und zweistöckigen verputzten Apartmentkästen.
Die Grundstücke waren klein. Die Vegetation ein Dschungel.
Auf beiden Seiten der Wohnstraße parkten die Autos Stoßstange an Stoßstange. Bills Apartmenthaus war gelb gestrichen, hatte türkise und rosa Einfassungen und sah auf den
ersten und auch zweiten Blick aus wie ein billiges Motel. Vor
allen Fenstern waren schmiedeeiserne Gitter angebracht. Mir
fiel auf, dass die meisten Gebäude in der Straße vergitterte
Fenster hatten. In Baltimore fand man Fenstergitter nur in
Verbindung mit Graffiti, zugemüllten Straßen, ausgebrannten
Crackhouses und aufgebrochenen Autos. In dieser Straße war
nichts von alldem zu sehen. Der Straßenzug wirkte bescheiden, aber durchaus gepflegt.
    Ich zahlte das Taxi und trottete den Weg zum Eingang
hoch. Zwischen den Pflastersteinen wuchs Moos, und üppige,
blühende Büsche und Kletterpflanzen wucherten über den
Gehweg und kletterten an den gelb verputzten Wänden hoch.
Die Luft roch süß und chemisch. Insektenspray, dachte ich.
Wahrscheinlich war gerade erst der Kammerjäger durchgegangen. Ich hielt besser die Augen offen, damit ich über keine
kuhgroße Küchenschabe stolperte. Eidechsen huschten vor mir
über den Weg oder klebten am Wandverputz. Ich wollte kein
vorschnelles Urteil über Miami Beach fällen, aber die Eidechsen waren definitiv nicht mein Ding.
    Das Gebäude war in sechs Apartments unterteilt. Drei unten, drei oben. Alle sechs Eingangstüren lagen im Erdgeschoss. Bill wohnte in dem Apartment ganz hinten im Obergeschoss. Ich hatte keinen Schlüssel. Wenn er mir nicht aufmachte, würde ich es bei den Nachbarn probieren.
    Ich läutete und sah mir dabei die Tür an. Rund um den
Türknauf und die Sperrkette entdeckte ich frische Macken. Ich
drehte probeweise den Knauf, und die Tür schwang auf. Verdammt. Ich bin keine Expertin in Kriminalistik, aber das war
bestimmt kein gutes Zeichen.
    Ich drückte die Tür weiter auf und spähte hinein. Ein kleiner Windfang mit einer Treppe, die zum eigentlichen Apartment hochführte. Keine Geräusche, die von oben herabwehten.
Kein Fernseher, keine Stimmen, keine Schritte.
    »Hallo?«, rief ich. »Ich komme jetzt hoch, und ich bin bewaffnet.« Eine dicke, dreiste Lüge, aber sie diente einem guten
Zweck. Falls da oben wirklich böse Buben in der Besteckschublade wühlten, würden sie nach dieser Warnung hoffentlich schleunigst aus dem Fenster springen.
    Ich wartete ein paar Atemzüge lang ab und schlich dann
vorsichtig die Treppe hinauf. Ich habe mich noch nie für besonders mutig gehalten. Bis auf meinen kurzen Abstecher in
den Rennsport habe ich nicht viele verrückte, riskante Sachen
angestellt. Ich mag keine Horrorfilme und keine Achterbahnen. Ich wollte nie Polizistin, Feuerwehrfrau oder Superheldin
werden. Im Grunde habe ich mein Leben lang immer nur einen
Fuß vor den anderen gesetzt und mich per Autopilot vorwärts
bewegt. Meine Familie hatte es mutig von mir gefunden, aufs
College zu gehen, aber in Wahrheit hatte mich das College nur
vor einem Leben in der Werkstatt errettet. Ich liebe meinen
Dad, aber ich hatte die Nase gestrichen voll von Autos und
Typen, die nichts anderes kennen. Es mag vielleicht zickig
klingen, aber ich wollte keine romantische Affäre, bei der ich
die zweite Geige nach einem getunten Truck spielte.
    Ich war oben an der Treppe angekommen und erstarrte. Die
Treppe endete im Wohnraum, und hinter dem Wohnraum
konnte ich die kleine Küche erkennen. Beide Räume waren
verwüstet. Die Sofapolster lagen auf dem Boden. Bücher waren aus den Regalen gefegt worden. Schubladen waren aus den
Kommoden gezerrt und der Inhalt über dem Teppich ausgeleert worden. Jemand hatte das Apartment verwüstet, und es
war nicht Bill gewesen. Ich kannte Bills Art von Chaos. Es
beschränkte sich auf dreckige Klamotten auf dem Boden, Essensreste im Sofa und jede Menge leere Bierdosen auf jedem
freien Fleck. Das hier sah anders aus.
    Ich machte auf dem Absatz kehrt und rannte die Treppe hinunter. Sekunden später war ich aus dem Haus und stand wieder auf dem Gehweg. Dort drehte ich mich zum Haus um,
starrte zu Bills Apartment hoch und schnappte nach Luft. So
was passierte vielleicht im Film. Aber nicht im wahren Leben.
Jedenfalls nicht in meinem Leben.
    Ich stand da und versuchte, mich zusammenzureißen, während ich gleichzeitig dem Rauschen des Verkehrs auf der
Fifth Avenue einen Block weiter
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