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Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Tief im Herzen: Roman (German Edition)

Titel: Tief im Herzen: Roman (German Edition)
Autoren: Nora Roberts
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erfüllen.
    »So.« Seine Lider schienen etliche Pfund zu wiegen, doch er zwang sich, die Augen offenzuhalten, kämpfte darum, klar zu sehen. Seine Söhne, dachte er – drei wunderbare Geschenke des Schicksals. Er hatte sein Bestes für sie getan, hatte ihnen zu zeigen versucht, wie man zum Mann wurde. Jetzt brauchte er sie noch für einen vierten, wollte, daß sie ohne ihn eine Einheit blieben und für das Kind sorgten.
    »Der Junge.« Sogar die Worte hatten ein Gewicht. Er zuckte zusammen, als er sie hervorpreßte. »Mein Junge. Jetzt eurer. Behaltet den Jungen, was auch geschieht, kümmert euch um ihn. Cam, du wirst ihn am besten verstehen.« Die große Hand, einst so stark und voller Leben, versuchte verzweifelt, Druck auszuüben. »Dein Wort darauf.«
    »Wir werden uns um ihn kümmern.« In diesem Augenblick hätte Cam versprochen, den Mond und die Sterne vom Himmel herunterzuholen. »Wir werden uns um ihn kümmern, bis du wieder auf den Beinen bist.«
    »Ethan.« Ray sog die Luft ein, die pfeifend aus dem Sauerstoffgerät kam. »Er wird deine Geduld brauchen, dein Herz. Deswegen bist du auch ein so ausgezeichneter Fischer.«
    »Mach dir keine Sorgen um Seth. Wir passen auf ihn auf.«
    »Phillip.«
    »Hier.« Er trat näher heran, beugte sich tief hinunter. »Wir sind alle hier.«
    »So kluge Köpfe. Ihr werdet herausfinden, wie es am besten funktioniert. Laßt den Jungen nicht gehen. Ihr seid Brüder. Denkt immer aneinander. Bin so stolz auf euch. Auf euch Quinns.« Er lächelte und sagte leise: »Jetzt müßt ihr mich gehen lassen.«
    »Ich hole den Arzt.« Von Panik erfüllt eilte Phillip hinaus,
während Cam und Ethan versuchten, ihren Vater durch schiere Willenskraft ins Leben zurückzuholen.
    Niemand achtete auf den Jungen, der zusammengekauert im Stuhl saß und fest die Augen zudrückte, um die heißen Tränen zurückzudrängen.

2. Kapitel
    Sie kamen allein und in Gruppen, um Ray Quinn die letzte Ehre zu erweisen und zu Grabe zu tragen. Er war mehr gewesen als nur ein Einwohner dieses Punktes auf der Landkarte mit Namen St. Christopher’s. Er war Lehrer, Freund und Vertrauter gewesen. In Jahren magerer Austernfänge hatte er beim Organisieren von Spendenaktionen geholfen, oder er hatte plötzlich dutzende kleiner Arbeiten ausfindig gemacht, die erledigt werden mußten, um die Fischer über einen harten Winter zu bringen.
    Wenn ein Student Probleme hatte, fand Ray einen Weg, eine zusätzliche Stunde für Nachhilfe herauszuschlagen. Seine Literaturkurse an der Universität waren stets vollbesetzt, und nur wenige vergaßen Professor Quinn.
    Er hatte an die Gemeinschaft geglaubt und entsprechend danach gelebt. Mit seiner Menschlichkeit hatte er seine Umgebung beeinflußt.
    Und er hatte drei Jungen, die niemand sonst wollte, zu Männern erzogen.
    Sein Grab war mit Blumen übersät und von Tränen benetzt. Als das Getuschel begann, wurde es deshalb meistens schnell zum Verstummen gebracht. Wenige wollten den Klatsch hören, der ein schäbiges Licht auf Ray Quinn warf. Zumindest zeigten sich die meisten uninteressiert, wobei sie gleichzeitig die Ohren spitzten, um sich von den Gerüchten nichts entgehen zu lassen.
    Sexskandale, Ehebruch, illegitimes Kind. Selbstmord.
    Lächerlich. Unmöglich. Die meisten sagten das und
meinten es auch so. Aber andere hörten etwas genauer hin und flüsterten es dem nächsten ins Ohr.
    Cam bekam nichts davon mit. Sein Kummer war so groß, so gewaltig, daß er kaum seine eigenen trüben Gedanken wahrnahm. Als seine Mutter starb, war er damit fertiggeworden. Er war darauf vorbereitet gewesen, hatte sie leiden sehen und gebetet, es möge ein Ende haben. Aber dieser Verlust kam zu schnell, zu willkürlich, und er konnte nicht dem Krebs die Schuld geben.
    Es waren zu viele Menschen im Haus, Menschen, die Mitgefühl bekunden oder sich in Erinnerungen ergehen wollten. Er wollte ihre Erinnerungen nicht, konnte sich nicht mit ihnen konfrontieren, ehe er nicht mit seinen eigenen ins reine gekommen war.
    Er saß allein auf dem Anlegesteg, den er im Laufe der Jahre dutzende Male mit Ray zusammen ausgebessert hatte. Neben ihm schwamm die hübsche sechs mal einszwanzig Meter große Schaluppe, auf der sie alle unzählige Male gesegelt waren. Cam erinnerte sich an das Boot, das Ray in jenem ersten Sommer besessen hatte – eine kleine Sunfish, ein Catboat aus Aluminium, nicht viel größer als ein Korken, wie er damals dachte.
    Und mit wieviel Geduld Ray ihm beigebracht hatte, wie man
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