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Tief atmen, Frau Doktor!

Tief atmen, Frau Doktor!

Titel: Tief atmen, Frau Doktor!
Autoren: Richard Gordon
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»Joggen! Ganz Amerika joggt.« Den Erzdiakon ergriff ernste Besorgnis. »Eine gesunde Kirche erfordert gesunde Geistliche. Wir müssen ein Beispiel setzen. Warum sollen alle guten Werbesendungen dem Teufel gehören?«
    Der Erzdiakon hatte noch nicht in Erwägung gezogen, Sport zu betreiben. Sein Sport in Oxford war Schach gewesen. Seine Frau mähte den kleinen Rasen, während er die wenigen Rosen, die er sein eigen nannte, schnitt. »Ich bin schon etwas über das Alter hinaus -«
    »Sie sind genau in dem Alter, in dem man Bewegung braucht.« Der Bischof schlug ihm kräftig auf die Schulter. »Wie wär's damit, ein bißchen Fett zu verlieren, hm? Mein Vater hat mir erzählt, daß Feldmarschall Montgomery alle Offiziere unterhalb des Brigadierranges jede Woche zum Geländelaufen geschickt hat. Na, das wäre doch ein ungeheurer Spaß, Bill! Treffen wir uns doch hier morgen früh um sieben.«
    Die Beunruhigung des Erzdiakons verwandelte sich in Schrecken. Er war ein vielbeschäftigter Mann, der Komitees sammelte wie andere Briefmarken. Sieben Uhr morgens war für ihn der einzige genüßliche Augenblick des Tages, wo es ihm vergönnt war, mit seiner Tasse Tee im Bett zu liegen, an die Decke zu starren und an nichts zu denken. Fotografen würden sich einfinden, sogar das Fernsehen. Das Gelächter in Canterbury — nicht auszudenken! In Panik suchte er nach einer Ausrede und fand eine, die nicht zu widerlegen war. »Ich habe keine kurze Hose.«
    »Ich habe einen ganzen Stapel Trainingsanzüge. Mit phosphoreszierenden Streifen an den Seiten. Und noch etwas —«
    Der Bischof schien noch stärker vor Gesundheit und Helligkeit zu strahlen. Was für einen teuflischen Plan heckt der Mann aus? fragte sich der Erzdiakon nervös. Der Bischof hatte ein alarmierendes Interesse an den Gemeindebädern von Mitrebury bekundet. Der Erzdiakon haßte Schwimmen aus tiefster Seele; er empfand es als zu kalt, zu öffentlich und zu naß. Höhlenforschen? Rollschuhlaufen? Doch nicht etwa Fallschirmspringen? dachte er mit Schrecken.
    »Meine mühevollen Forschungen unter der brennenden Sonne Indiens im letzten Winter, als hier so viel Schnee lag, haben mich zutiefst beeindruckt«, verriet der Bischof. Von seinen Pilgerreisen kam er stets berstend vor guten
    Ideen zurück, entsann sich Mr. Bellwether unbehaglich.
    »Hier in Mitrebury«, fuhr er fort, »haben wir Fließwasser und Kanalisation. Wenn wir uns reichlich mit billiger Kleidung versehen wollen, brauchen wir nur Marks und Spencer's aufzusuchen. Wir spannen unseren Ochsen nicht den ganzen Tag vor den Pflug und wärmen uns die ganze Nacht an einem Feuer aus seinem Mist.«
    Der Erzdiakon pflichtete ihm bei.
    »In Indien sah ich alles mit eigenen Augen und roch es mit eigener Nase. Die Gemeinplätze über die Dritte Welt, die wir von der Kanzel herab und im Fernsehen von uns geben, sind eine einzige Heuchelei. Wir müssen spüren, was es heißt, ein Unberührbarer zu sein, der, ein Dhoti um die Lenden geschlungen, in seinem Charpoy am Ufer des Ganges sitzt. Ich wünsche, daß der Klerus von Mitrebury sich für den Rest der Fastenzeit von Reis und Wasser ernährt. Sie dürfen etwas Milch hinzufügen, wenn Sie wollen. Vorzugsweise Ziegenmilch.«
    Der Erzdiakon schluckte schwer. »Die Freitage in der Fastenzeit?« fragte er hoffnungsvoll.
    »Oh, das hätte auf die Medien überhaupt keine Wirkung«, sagte der Bischof gebieterisch. »Wir werden ein oder zwei Nachtgottesdienste abhalten« , sagte der Bischof in Gedanken versunken. »Mit dem Rundfunk wird es keine Schwierigkeiten geben, und ich glaube, ich bekomme auch das Fernsehen, wenn ich dazu noch gratis eine Vesper mit Chorälen anbiete. Nun müssen Sie mich entschuldigen, Bill. Während ich in den Staaten war, hat sich so viel Arbeit angehäuft.« Er nahm den zuoberst auf seinem Schreibtisch liegenden Brief zur Hand. »Hm, nächsten Winter will man mich in Australien und Neuseeland. Ich halte es für meine Pflicht, sozusagen. Oft frage ich mich, was der heilige Paulus erreicht hätte, wenn er die Annehmlichkeiten des Flugverkehrs hätte für sich in Anspruch nehmen können. Wie ich dem Dekan und dem Kapitel immer wieder einschärfe: Christus verstand sich ausgezeichnet auf Kommunikation.
    Ich sehe gerade, daß auch Kanada an mir interessiert ist«, murmelte er mit Befriedigung.
    Als der Erzdiakon mit dem Kaplan die Stiege von seinem eigenen kleinen, außen gelegenen Büro hinunterging, seufzte er tief auf.
    »Erinnern Sie sich an eine
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