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Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt

Titel: Tiamat-Zyklus 2 - Die Sommerkönigin 1 - Der Wandel der Welt
Autoren: Joan D. Vinge
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religiösen Führer gewesen – ihrem Clan entstammten die früheren Sommerköniginnen – und ihr Einfluß war immer noch gewaltig.
    Drunten an der Kaimauer warf die Siegerin des Wettrennens, ein lachendes, sommersprossiges Mädchen von höchstens vierzehn Jahren, die rituellen Opfergaben ins unruhige, grüne Wasser. Draußen in der Bucht schauten ein paar Mers aus der Kolonie zu, die an den Stränden dieser Insel beheimatet war – ein sicheres Zeichen für das Wohlwollen des Ozeans. Clavally betrachtete das Gesicht des Mädchens und ihr Haar, das in der Sonne glänzte. Plötzlich spürte sie eine unverhoffte Anwandlung von Sehnsucht.
    Als sie eine Sibylle wurde, hatte sie eine Wahl getroffen. Es war ein anstrengendes, unstetes Leben; sie reiste von Insel zu Insel, teilte, wenn nötig, den weisen Rat der Herrin aus, wählte und unterwies diejenigen, die später ihre Aufgaben als Sibylle übernehmen sollten, um kommende Generationen von Sommerleuten zu führen. Es hieß, es bedeute den Tod, eine Sibylle zu töten, eine Sibylle zu lieben und eine Sibylle zu sein . Nur wenige Männer, falls sie nicht selbst ein Sibyl waren, riskierten es, eine Sibylle zu heiraten.
    Doch auch nachdem sie Danaquil Lu getroffen hatte, nahm sie ein Mittel ein, um eine Schwangerschaft zu verhüten; denn sie fand, ihre Lebensweise sei zu anstrengend für ein Kind, und sie hatte keine nahen Verwandten, die ihr geholfen hätten, ein Baby großzuziehen. Außerdem brauchte Danaquil Lu, mit seinem gebeugten Rücken und den schmerzenden Gelenken, immer mehr ihre Zuwendung. Sie drückte fest seine Hand und mahnte ihren unruhigen Körper zum Schweigen. Bald wären ihre gebärfähigen Jahre ohnehin vorbei, und dann hätte ihr fragendes Herz ein für allemal Ruhe.
    »Darf ich dich etwas fragen, Sibyl?« Zögernd kam ein Junge auf sie zu, seine braunen Zöpfe baumelten über sein ärmelloses Wams. Er wandte sich mit seiner Frage an Danaquil Lu; daraus schloß sie, daß es um ein Mädchen ging.
    »Frage, und ich werde dir antworten«, sprach Danaquil Lu, wie es das Ritual erforderte, wobei er freundlich lächelte.
    Clavally ließ seine Hand los und warf ihm zum Abschied einen Blick zu, dann ließ sie den errötenden Jungen mit Danaquil Lu allein. Während sie sich unter die Leute mischte, hörte sie noch mit halbem Ohr, wie Danaquil Lu murmelte:
»Eingabe ...«,
ehe er in den Transfer fiel, worauf der Junge seine Frage flüsterte.
    »Sibylle?« Eine grauhaarige Frau mittleren Alters, die dem Goodventure-Clan angehörte, stellte sich ihr in den Weg. Clavally blieb stehen, weil sie eine Frage erwartete, doch ehe sie die rituelle Formel äußern konnte, erkundigte sich die Frau: »Gehst du nach Karbunkel?«
    Verdutzt sah Clavally sie an. »Nach Karbunkel? Weshalb?« fragte sie.
    »Du weißt es also noch nicht?« Die Frau blickte aufreizend selbstgefällig drein. »Die neue Sommerkönigin hat alle Sibyllen des Sommervolks aufgefordert, die Stadt im Norden aufzusuchen. Angeblich sei dies der Wunsch der Herrin.«
    Clavally schüttelte erstaunt und überrascht den Kopf. Karbunkel war die einzige richtige Stadt auf dem gesamten Planeten, weit im Norden gelegen, inmitten des Gebietes der Winter-Clans. Der Name bedeutete sowohl ›Juwel‹ als auch ›Geschwür‹. Die Stadt hatte Verbindung zum Sternenhafen der Außenweltler, und in den einhundertundfünfzig Jahren, als Tiamat von der Hegemonie kontrolliert wurde, war Karbunkel ein Hort der Mirakel wie der Korruption. Damals regierte die Schneekönigin, die Winterleute beanspruchten die Stadt und die umliegenden Ländereien für sich – und in Karbunkel wurden Sibyllen nicht geduldet. Die Außenweltler verabscheuten sie, und von den Winterleuten wurden sie gehaßt und gefürchtet. Danaquil Lu stammte aus Karbunkel, er war dort geboren, doch nachdem er ein Sibyl geworden war, verbannte man ihn.
    Nun jedoch war der Wechsel wieder einmal vollzogen. Die Außenweltler hatten Tiamat verlassen und ihre Technologie mitgenommen; die schwarze Pforte, durch die sie Tiamat erreichten, hatte sich geschlossen. Die Ozeane erwärmten sich. Allmählich würde das Wasser zu heiß werden für die Kleys, die das Sommervolk in Herden hielt, und auch für viele der Fischarten, die mit Netzen gefangen wurden. Die Mers, die gleichfalls Kinder der Meeresmutter waren, wanderten nordwärts, und das Sommervolk selbst rüstete sich ebenfalls für seine Umsiedelung. Seine Lebensweise würde wieder auf dem Planeten dominieren, während die
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