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Theo

Titel: Theo
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Jahr kommst du ins Gymnasium. In welches eigentlich?«, setze ich lieber unsere spannende Unterhaltung fort. »Ist mir wurscht«, sagt Theo. (Glaube ich ihm nicht: Er will nur cool sein.) Am Tag der offenen Tür musste er unbedingt wissen, ob es auch Schulen gibt, an denen Chinesisch unterrichtet wird, das wäre unbedingt etwas für ihn, erzählt sein Papa. »Chinesisch?«, frage ich. »Na sicher, jeder vierte Mensch spricht Chinesisch«, behauptet Theo. Ehrlich? Also ich kenne kaum wen. »Jeder vierte Mensch auf der Welt ist Chinese«, belehrt mich Theo. Eine Schulvorentscheidung ist übrigens bereits gefallen: Theo wird wahrscheinlich an einem öffentlichen Gymnasium mit Unterrichtssprache Englisch landen. Damit er ein bisschen Deutsch verlernt. (Damit ihn die Fußballer auf den heimischen Feldern wieder verstehen.)
    Profifußballer will er übrigens nicht mehr werden, obwohl er in der U-11 vom SC Mauerbach weiterhin das Mittelfeld spielgestaltet. Theo blickt auf eine vollkommen verpatzte Saison zurück. Das heißt: Er blickt nur zurück, wenn man ihn daran erinnert, was er einem ziemlich übelnimmt. So viel dürfen wir verraten: letzter Tabellenplatz. Gegen die einstigen Gänseblümchenpflücker von Tulbing setzte es eine schon gar nicht mehr bittere, sondern bereits amüsante Niederlage in der Höhe von 0 : 19. Gerne hätte ich Theo gefragt, ob er wenigstens ein Eigentor geschossen hat, aber ich brauchte ihn ja noch.
    Nun ein heißes Thema: Absolut keine Probleme hat Theo im Umgang mit Mädchen. Oder anders: Er hat absolut keinen Umgang mit ihnen. Er kennt sie fast nur noch vom Hörensagen. Und einige sitzen bei ihm in der Klasse. All seine engen Freunde sind tapfere, sportliche, jederzeit wettkampfbereite junge Männer. »Was stört dich so an den Mädchen?«, frage ich. – Gar nichts stört ihn, die haben einfach andere Interessen (als Kräftemessen in der Pause). »Die interessieren sich nur für Pferde, Reiten und Tierschutz«, beschwert sich Theo. Manche Mädels in seiner Klasse mag er aber schon recht gern. »Die den Mund halten, sind mir die liebsten«, verrät er uns. – »Also Theo!«, empört sich sein Papa, um nicht in Verruf zu geraten, der ideologische Ziehvater solchen Gedankenguts zu sein.
    Reden wir lieber von Theos Meerschweinchen. Die haben heuer einiges durchgemacht. Im Sommer, wo sieim Garten in einem salatbehangenen und karotinhältigen Luxusgehege stationär untergebracht waren, ereignete sich eine vom Menschen lange unentdeckt gebliebene Naturkatastrophe, eine Art Minimure mit anschließender Kleintierareal-Überschwemmung. Jedenfalls dürfte es Micky förmlich in die Wildnis hinausgespült haben. Plötzlich war sie nicht mehr da, nur eine Schlammspur blieb zurück. Vielleicht wüsste Ben, der Münsterländer vom Nachbargarten, mehr zu diesem Thema. Aber ersparen wir uns die unerquicklichen Nachforschungen. Micky wurde, zu Theos raschem Trost, postwendend durch den braungefleckten Neuankauf Niki ersetzt. Der hinterbliebenen Micky-Schwester Mausi dürfte die Veränderung gar nicht aufgefallen sein. Meersäue können Schicksalsschläge und Trennungsschmerzen offenbar ganz gut verarbeiten. »Das war jedenfalls das letzte neue Meerschweinchen«, sagt die Mama. Theo nickt, er sieht das anscheinend auch so. Eigentlich wünscht er sich ja eine Katze.
    So, schon lange nicht mehr über die PISA-Studie sinniert: Theo kennt jede Hauptstadt jedes Landes dieser Welt. (Wenn Sie’s nicht glauben, richten wir eine Konferenzschaltung ein, und Sie können ihn abprüfen.) Er kennt ferner jeden noch so unwichtigen Wiener Stadtrat, und da gibt es einige. »Und, Theo«, frage ich, »wer ist zum Beispiel Elfriede Jelinek?« Theo (gelangweilt): »Die Literaturnobelpreisträgerin, die wohnt da gleich ums Eck, am Sonnenweg oder Jupiterweg.« Fairerweise räumt er ein: »Ich kenne sie aber nicht, undich hab auch noch nichts von ihr gelesen, es soll aber sehr kompliziert sein.« – Das war er Thomas Brezina schuldig.
    Inzwischen hat Theo sein Rollbalanciergerät aus den Händen gelegt und auf dem Parkettboden im Wohnzimmer einen kleinen Slalomkurs gesteckt, den er nun mit der Stoppuhr in der Hand ein paarmal abläuft, um seinen eigenen Bestzeiten nachzujagen. Kurzum: Er hat einen ausgeprägten Bewegungs- und Betätigungsdrang, bestätigen die Eltern, gezeichnet von den Folgen. Reden allein ermattet ihn bald. Zuhören ohne irgendwas ist für ihn beinahe unerträglich. Da fühlt er sich unterfordert.
    Mit seiner
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