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Theo

Titel: Theo
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Ziehharmonika ist er nach wie vor im Reinen, sie selbst kann sich nicht wehren. Bei Onkel Michi war er unlängst im familiären Rahmen Karaoke singen. Von den tiefen Tönen erwischte er meistens zwei, drei, aber immer die gleichen, die hohen ließ er von vornherein aus. Keiner hat je behauptet, dass Theo Musiker werden sollte. Seine einzige wirkliche Schulschwäche ist die Handarbeit, vulgo Basteln und Zeichnen. Mit Wasserfarben zu hantieren, heißt für ihn »sich die Finger schmutzig machen«. Das verabscheut er, das kann auch keine Kunst sein.
    »Können wir nicht endlich von was anderem als von der Schule reden?«, fragt Theo. Okay, wie wäre es zum Beispiel mit der Mode. – »Was ziehst du am liebsten an?«, frage ich. Das weiß er sofort: »Rapid-Dress und Pyjama.« – »Rapid ist dein Leben, gell?«, frage ich. »Ja,fast«, gesteht er. Seine Lieblingsspeisen, um auch das zu erledigen, sind derzeit Linsen, Eierspeise, Brote mit Margarine und Salz – und dazu Leitungswasser. Da fragt man sich, wozu seine Eltern überhaupt noch arbeiten gehen.
    »Erzähl dem Onkel Dani noch von der Projektwoche in der Steiermark«, schlägt sein Papa vor. Ja, das wäre aufregend! Ich frage: »Was war das für ein Projekt?« Theo (mit halb geschlossenen Augen, er pausiert gerade beim Wohnzimmerslalom): »Das war so ein Projekt halt, so ein Projekt für Kinder, ein Kinderprojekt, weißt eh.« – Aha, gut, kommen wir langsam zum Ende.
    Also noch eine allerletzte Frage an Theo, auf die ich mich schon den ganzen Abend freue: »Theo, wie fühlt man sich so als Zehnjähriger, ist das nicht etwas ganz Besonderes?« – »Nein«, sagt er und setzt schon wieder diesen mitleidigen PISA-Blick auf: »Irgendwann muss ja jeder einmal zehn Jahre alt werden.« – Frau Bildungsministerin, ich glaube, wir können zufrieden sein.

Er kennt die Welt von A bis Z
    Theo ist elf –
    und ignoriert das Internet
     
    Von der ersten Frage hängt viel ab. Ich eröffne mit: »Was gibt es Neues, Theo?« – »Nichts«, sagt er, ohne lange nachzudenken, vermutlich sogar, um nicht nachzudenken. Er ist ehrlich, kompromisslos, unbestechlich. Theo gibt keine Gefälligkeitsinterviews. Er ist elf Jahre alt, und da sagt er selbst zu Themen, die ihm zusagen, nie mehr als das, was ihm gerade zusagt, dazu zu sagen. In diesem Fall, an diesem Tag, zu dieser Stunde: nichts. Weil er höflich ist, in Worten: »Nichts.«
    Er hat aber noch eine bessere Antwort parat, eine auf alle stereotypen Befindlichkeitsfragen, die sich nicht mit »Nichts« beantworten lassen. Zum Beispiel: »Theo, wie geht es dir?« Da sagt er: »Halb, halb.« Oder: »Theo, wie war dein Jahr?« – »Halb, halb.« Und: »Wie ist es in der neuen Schule?« – »Halb, halb.« Diplomatischer kann man die großen Wahrheiten, die von den immer gleichen plumpen Fragen unterwandert werden, nicht in zwei gerechte Antwortteile teilen. Ich bin echt stolz, sein Onkel zu sein.
    Um uns eine erschöpfende Nichts-Serie zu ersparen und Theos wortkarge Halb-halb-Wahrheiten auf ein Minimum zu reduzieren, versuchen wir sein Jahr 2005 mithilfe von Stichwörtern einzufangen. Ich lege ihm eine Themenliste vor, Buchstabe für Buchstabe, vonA bis Z. Alle Sportkanäle sind verdunkelt, der Fernseher ist abgedreht, Markus Rogan gerade noch rechtzeitig an einer zweiten Medaille vorbeigeschwommen. Theos Verfassung stellt ein vielversprechendes Mittelding aus motiviert und konzentriert (auf sich) dar. Also beginnen wir mit »A«.
    AUSTRIA. Theo: »Erstens eine feindliche Wiener Fußballmannschaft, die bald kein Geld mehr hat«, was Theos Laune sichtlich hebt. »Und zweitens ein schönes Land, aber auf Englisch.« Mit anderen Worten: halb, halb.
    BIERHÄUSLBERG. Uiii. Da senkt sich sein Blutdruck radikal. Sein Gesicht erinnert frappant an Bill Murray in»Und täglich grüßt das Murmeltier«. Bierhäuslberg? Okay, dort wohnt er zwar mitsamt Eltern, Meerschweinchen, Ziehharmonika und Fußbällen, aber was tut das hier zur Sache? »Machen wir ›B‹ später«, schlägt Theo vor.
    CALIFORNIA. Assoziiert er ihn oder assoziiert er ihn nicht? – Natürlich, er assoziiert ihn: Arnold Schwarzenegger. Und verzeiht er ihm? – Niemals. Er sagt: »Das Beste an ihm war das Schwarzenegger-Stadion.«
    DEUTSCHLAND. »Da waren doch die Wahlen, und die Merkel ist Kanzlerin geworden.« (Dass man sich so etwas merken kann!) »Und sie haben eine urleichte WM-Gruppe.« (Fußball, was sonst.)
    EU-ERWEITERUNG. Zehn Länder seien dazugekommen, berichtet
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