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The New Dead: Die Zombie-Anthologie

The New Dead: Die Zombie-Anthologie

Titel: The New Dead: Die Zombie-Anthologie
Autoren: Max Brooks , Joe Hill , Tad Williams
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Schleier die Welt verhüllte … Folge der vier Tage auf dem Steinsockel, denn nun sind seine einstmals blauen Augen grau und leicht milchig.
    Seine Schwester Martha kommt und trägt die Schale fort. Sie streicht ihm das Haar aus der Stirn, doch sie küsst ihn nicht mehr. Sein Atem riecht faulig. Zwar kann er den Zerfall in seinem Mund nicht schmecken, aber an ihrem Gesichtsausdruck ablesen. Martha schenkt ihm ein Lächeln, und er versucht es zu erwidern.
    Draußen vor dem Fenster haben sich Frauen und Kinder versammelt, um den Mann zu sehen, der einst tot war, es nun jedoch nicht mehr ist. Sie sind verwundert und neugierig und …
    Ja, verängstigt. Sie haben Angst vor ihm.
    Er tritt vom Fenster zurück und wankt zum Bett.
    III.
    Lazarus kann nicht mehr schlafen. Er fürchtet die Dunkelheit. Wenn er die Augen schließt, riecht er die Luft aus der Grabhöhle und spürt die eng um Brust, Mund und Nase gewickelten Binden, die ihm das Atmen nahezu unmöglich machen.
    Lazarus kennt keine Müdigkeit mehr. Keinen Hunger, keinen Durst. Weder Freude noch Trauer, noch Wut oder Zorn. Da ist nur noch diese Lethargie, diese unendliche Leere und das Verlangen nach Schlaf, ohne dass er ihn wirklich braucht.
    Nein, nicht Schlaf … Vergessen. Vergessen und das, was danach kommt.
    IV.
    In der dritten Nacht hört er Schritte im Haus. Eine Tür öffnet sich, und eine Frau erscheint. Es ist Rachel, seine Verlobte. Sie war in Jerusalem, als er erwachte, und jetzt ist sie hier. Sie fährt ihm mit den Händen über die Stirn, die Nase, die Lippen. Rachel liegt neben ihm und sagt leise seinen Namen; darauf bedacht, seine Schwestern nicht zu wecken. Sie küsst ihn und weicht vor seinem Geschmack zurück. Dennoch wandern ihre Finger weiter nach unten, über seine Brust,seinen Bauch, bis sie ihn schließlich findet, streichelt, liebkost und die Verwirrung und Enttäuschung in ihrem Gesicht immer größer wird.
    Nach einer Weile geht sie und kehrt nicht mehr zurück.
    V.
    Die Priester bestellen Lazarus zu sich. Er wird vor ihr Konzil geführt und muss vor dem Podium des Hohepriesters Kajaphas Aufstellung nehmen. Lazarus hat seine Stimme wiedergefunden, doch sie ist noch sehr kümmerlich, so als wäre seine Kehle von Sand und Schmutz überzogen.
    „Was ist dir von der Grabstätte in Erinnerung geblieben?“, fragen sie ihn, und er antwortet: „Nichts außer Schmutz und Dunkelheit.“
    „In den vier Tagen, als du tot dalagst, was hast du da gesehen?“
    Er antwortet: „Ich kann mich nicht erinnern.“
    Enttäuschtes Murmeln ist zu hören, Misstrauen schwingt darin mit. Sie denken, dass er lügt. Stimmen erheben sich, und Fragen prasseln wie abgestorbene Blätter auf ihn herab. Sie sind die Priester, und sie haben all das zu wissen, was er weiß.
    Nur Kajaphas schweigt. Er mustert den vor ihm stehenden jungen Mann, bemerkt die Verfärbung seiner Haut, die immer noch sichtbaren Zeichen der Fäulnis. Mit einer Geste seiner Hand entlässt Kajaphas die anderen, sodass nur noch er und Lazarus zurückbleiben. Kajaphas schenkt Wein ein, aber Lazarus rührt seinen Becher nicht an.
    „Erzähle es mir“, sagt Kajaphas. „Jetzt, da die anderen gegangen sind, erzähle mir, was du gesehen hast. Hast du das Antlitz Gottes erblickt? Gibt es ihn? Sage es mir!“
    Doch Lazarus kann ihm nichts bieten, und Kajaphas wendet ihm schließlich den Rücken zu und befiehlt ihm, zu seinen Schwestern zurückzukehren.
    Für Lazarus ist es nicht das erste Mal, dass man ihm derartige Fragen stellt. Auch seine Schwestern haben herauszufinden versucht, was jenseits des Grabes liegt. Doch zur Antwort konnte er lediglich den Kopf schütteln und ihnen sagen, was er auch den Priestern erzählt hatte:
    Nichts. Da ist nichts, oder nichts, woran ich mich erinnern kann.
    Doch niemand glaubt ihm. Niemand will ihm glauben.
    VI.
    Noch einmal beruft Kajaphas das Konzil ein, doch ohne Lazarus.
    „Gibt es keine Spur von dem, der ihn ins Leben zurückgerufen hat?“, will er wissen, und die Pharisäer antworten, dass sich der Nazarener verborgen hält.
    Kajaphas ist verärgert. Mit jedem Tag, der vergeht, wächst der Groll, den er Lazarus gegenüber empfindet. Die Menschen sind unglücklich. Sie haben gehört, dass Lazarus sich nicht daran erinnert, was er nach seinem Tod erlebt hat, und man munkelt bereits, dass es gar nichts zu erinnern gibt und die Priester sie vielleicht belogen haben.
    Kajaphas lässt nicht zu, dass seine Macht infrage gestellt wird. Er befiehlt die Steinigung
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