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The Haunted

The Haunted

Titel: The Haunted
Autoren: Jessica Verday
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rief er kurz darauf zu mir hoch und winkte mich zu sich.
    Also kletterte ich ihm vorsichtig hinterher. Er hielt eine kleine Zigarrenschachtel in der Hand und sah mich so stolz an, dass ich von einem Moment auf den anderen wieder richtig froh wurde. »Sie ist noch da – die Schatztruhe meiner Kindheit.«
    Es war nicht viel darin, doch er holte einen Gegenstand nach dem anderen heraus und zeigte ihn mir. »Eine Baseballkarte mit Mike Schmidt darauf, eine Trillerpfeife, eine Kaninchenpfote als Glücksbringer …«
    »Dem Kaninchen hat sie kein Glück gebracht.«
    Caspian lächelte nur und redete weiter. »Ein Legomännchen, ein Glücksmedaillon und hier … das Beste zum Schluss.« Er kippte die Schachtel um und im Sonnenlicht blitzte etwas Metallenes auf. »Gib mir deine Hand.«
    Ich hielt ihm die geöffnete Hand hin und er ließ ein plattes, völlig glattes Stück Silbermetall hineinfallen. Ich sah es mir genauer an und erkannte die Markierungen. »Ein Vierteldollar!«, sagte ich. »Was ist denn mit dem passiert?«
    »Ich habe ihn aufs Gleis gelegt und ein Zug hat ihn platt gedrückt. Das habe ich als Kind öfter gemacht. Hier sind noch ein Zehncentstück, ein Penny und ein Fünfcentstück, alle genauso platt.«
    Er legte sie mir einen nach dem anderen in die Hand und es klirrte, wenn sie aneinanderstießen. Ich schloss die Faust, fühlte das glatte Metall und stellte mir Caspian als kleinen Jungen vor.
    »Ich wette, du warst absolut hinreißend, als du klein warst«, sagte ich leise.
    Er zuckte mit den Schultern und blickte zum Haus zurück. »Ich war das seltsame, stille Kind, das die ganze Zeit gemalt hat. Ich hatte zwar ein paar Freunde, aber nie einen besten Freund.«
    Ich musterte ihn und wünschte mir, ich könnte den kleinen Jungen sehen, der er einmal gewesen war. »Ich wäre deine beste Freundin gewesen.«
    Er lächelte mich an. »Das weiß ich, Abbey.« Er hielt mir die Zigarrenschachtel hin. »Hier, nimm sie.«
    »Aber das kann ich nicht, es sind doch deine Schätze.«
    Er hielt sie mir noch näher hin. »Ich weiß. Deshalb will ich ja, dass du sie nimmst. Das ist alles, was von meiner Kindheit übrig geblieben ist, und es ist ein Teil von mir, den ich dir gern schenken möchte.«
    Die Angst vor der Ablehnung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Gerührt nahm ich die Schachtel, legte die Münzen zurück und hielt sie ganz fest. »Danke, Caspian. Ich fühle mich geehrt.«
    Offenbar machten ihn meine Worte glücklich, er strahlte. Es war so ansteckend, dass ich sein Lächeln erwiderte. Die warme Sonne schien uns auf den Rücken und in diesem Moment wusste ich, dass es auf der ganzen Welt kein tolleres Gefühl gab als dieses Glücksgefühl, das mich jetzt durchströmte.
    »Willst du meine Grundschule sehen?«, fragte er beinahe schüchtern.
    »Auf jeden Fall.«
    Ich klemmte mir die Schachtel unter den Arm und wir kletterten wieder die Böschung hoch. Er führte mich hinter sein ehemaliges Elternhaus und wir liefen ein Stück, bis wir zu einem kleinen roten Backsteingebäude kamen. Martinsburg Elementary School 1842 stand über dem Eingang.
    »Auf geht’s, Bulldogs!«, stand in verblassten rot-weißen Buchstaben an einer Seitenwand.
    »Ist das die Basketballmannschaft von Martinsburg?«, fragte ich.
    »Das beste Team seit … na ja, seit nie. Diese Mannschaft hat noch nie was gerissen.«
    Ich lachte und entdeckte eine Seitentür. »Sollen wir es dort mal versuchen? Glaubst du, sie ist offen? Wie stehen die Chancen?«
    »Nicht sehr gut«, meinte Caspian, aber er folgte mir trotzdem.
    Ich stupste den silbernen Metallriegel nur ein wenig an und schon schwang die Tür weit auf.
    Gemeinsam betraten wir das Schulgebäude. In den Gängen hing ein schaler Geruch, wie man ihn in den meisten Schulen antrifft – nach Papier, Radiergummi, neuen Sneakers und abgestandenem Cafeteriaessen. Ich rümpfte die Nase. »Ich hoffe, sie lüften hier noch mal gründlich, bevor das neue Schuljahr losgeht.«
    Caspian antwortete nicht. Er war zu beschäftigt, sich die schwarz-weißen Klassenfotos an den Wänden anzuschauen. Die meisten steckten hinter staubigem Glas und in verblassten Holzrahmen.
    Ich trat zu ihm. »Bist du auch irgendwo drauf?« Ich versuchte, ihn zu finden, und hielt nach blonden Haaren Ausschau, aber die Fotos waren schon sehr vergilbt und von schlechter Qualität.
    Er deutete auf ein Bild. Ich beugte mich vor, um zu sehen, worauf er zeigte. Selbst bei den verblassten Farben erkannte ich das Haar und die Augen.
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