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The Forest - Wald der tausend Augen

Titel: The Forest - Wald der tausend Augen
Autoren: Carrie Ryan
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das Kliff hinunterpoltern.
    »Halt dich fest!«, schreit Jed. Der Strom Ungeweihter Körper kommt nicht zum Stillstand, im Vorüberrutschen strecken sie die Arme nach uns aus und zwingen uns, immer weiter in die Tiefe zu klettern.Wir schieben uns vorwärts, bis wir einen Vorsprung finden, unter dem wir vor den fallenden Körpern Schutz suchen.
    Ich kann nicht hören, wie sie ins Wasser klatschen, aber ich traue mich nicht runterzugucken.
    Jed kommt zu mir auf meinem kleinen Sims und wir drücken uns an den Erdwall hinter uns, krallen die Finger in den Matsch und klammern uns an Wurzeln und Gestrüpp.
    Immer noch trommelt der Regen auf unsere Rücken, Donner mischt sich mit dem Tosen des Wasserfalls und dröhnt um uns herum. Wenn die Blitze zucken, sehe ich, wie weit unten im Wasser Ungeweihte um sich schlagen.
    Ich merke, dass Jed mit mir spricht, und ich muss mich anstrengen, um ihn zu verstehen.
    »… leid, Mary.«
    »Was?«, brülle ich.
    »Ich habe gesagt, es tut mir leid.« Dieses Mal verstehe ich ihn.
    »Warum bist du durch das Tor gegangen?«, frage ich.
    »Weil ich dein großer Bruder bin.« Er lächelt, dann lacht er. »Und ich wollte an die Hoffnung glauben.« Nun
kann ich nicht anders, ich lächele auch ein bisschen. Über uns beide, die wir hier im Gewitter an einem Kliff kleben und nichts sehen können außer Ungeweihten, die wie Regen fallen.
    Im Augenblick gibt es nur uns beide, wie früher, ehe Beth, Harry oder Travis dazugekommen sind. Ehe unsere Eltern sich gewandelt und wir uns angefeindet haben.
    »Danke«, sage ich.
    Er will antworten, da stürzt ein Ungeweihter von oben auf ihn und schleudert ihn von mir weg, hinaus ins Nichts.
    »Jed!«, schreie ich. Wieder und wieder rufe ich nach ihm, während ich mich an Wurzeln und Ästen und Steinen das Kliff hinunterhangele. Manchmal verliere ich den Halt und rutsche, bis ich mich wieder fangen kann.
    Schließlich bin ich nah genug am Wasser. Äste und Körper wogen darin. Weiße Schaumkronen schwappen. Keine Ordnung, nur Chaos.
    Manchmal taucht ein Kopf an der Oberfläche auf, aber nie lange genug, um ein Gesicht zu erkennen. Arme fuchteln, aber ob diese Arme Jed gehören oder einem Ungeweihten, ist unmöglich auszumachen. Immerzu fallen Körper ins Wasser und ihr Aufspritzen vereint sich mit den Wellen.
    Stellenweise ist die Strömung unglaublich schnell, und deshalb klettere ich seitlich am Kliff entlang und versuche, stromabwärts zu gelangen. Hoffentlich hat Jed irgendwo Halt finden und sich aus dem Wasser ziehen können.
    Im Laufe der Nacht wird meine Suche immer hektischer und verzweifelter. Ich finde einen Baum, der übers
Wassers gestürzt ist, und schiebe mich Zentimeter für Zentimeter weiter hinaus über die raue Borke. Dabei hämmert der Regen immer noch auf meinen Rücken, Windstöße rasen die Schlucht hinunter, sodass ich mich an den Stamm klammern muss, um nicht ins Wasser zu fallen.
    Ein Stück weiter kann ich die Fläche unter mir überblicken. Der Fluss staut sich, weil riesige Baumstämme eine Enge der Schlucht versperren und das Wasser nicht durchlassen.Wellen schlagen über mir zusammen.
    Ich rutsche den Stamm wieder zurück und konzentriere mich dabei so sehr, dass ich die Gefahr nicht kommen sehe. Ein Arm langt aus dem Wasser, packt mich, zerrt mich hinein, zieht mich in die Tiefe.
    Ich trete, schlage um mich, winde mich. Etwas reißt an meinen Haaren. Mein Kopf durchbricht die Wasseroberfläche und einen Herzschlag lang glaube ich, dass mein Retter Jed ist. Dass er derjenige ist, der mich an die Oberfläche gezerrt hat. Doch dann sehe ich das Gesicht, den Hunger, die Zähne. Ich hole zum Schlag aus, stoße mit aller Kraft ins Wasser, das an mir vorüberstrudelt, während ich kämpfe. Ein Blitz zuckt über den Himmel und ich erkenne meine Umgebung deutlich.
    Sehe die Körper wie Haufen von Trümmern,Teile des wirbelnden Chaos.
    Und dann nichts.

    In meinem Traum stehe ich wieder auf der Lichtung im Wald, dieser Lichtung, zu der mich Schwester Tabitha durch die Tunnel unter dem Münster geführt hat. Der Wald ist stumm. Kein Mückensummen, kein Vogelgezwitscher und ich bin allein. Plötzlich bricht alles um mich herum zusammen. Der Ton kommt zurück, und meine Mutter schreit, wie damals, als sie sich gewandelt hat. Ungeweihte hetzen von überall aus dem Wald auf mich zu, alle sind schnell, alle tragen sie grellrote Westen. Meine Mutter ist da, Jed, Cass, Harry und Jakob.Wieder und immer wieder kommen dieselben Gesichter auf mich
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