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The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder

Titel: The Dead Forest Bd. 1 Die Stadt der verschwundenen Kinder
Autoren: O'Brien Caragh
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schien es warm und behaglich zu haben. Gaia konnte kaum glauben, wie winzig sie war.
    »Es ist ein wenig voll, und ich habe keinen Platz mehr für das Milchpulver«, gab er zu. »Aber solange sie schläft und sich nicht bewegt, sind wir in Sicherheit.«
    Wir müssen es nur durch die Mauer schaffen , dachte sie. Nichts anderes war wichtig.
    Er löschte das Licht im Wandschrank, und wie selbstverständlich griff sie nach seiner Hand in der Dunkelheit. Gemeinsam gingen sie wieder die Treppe hinab und um die Ecke zur Vordertür. Leon entriegelte die Tür, und als er sie halb öffnete, sahen sie auf einen leichten Nieselregen hinaus. Eine Lampe an einer der Säulen im Eingang warf Licht auf den Pfad zur Straße.
    »Es hat fast aufgehört«, sagte sie.
    »Lass uns noch eine Minute warten«, erwiderte er.
    Sie nickte und zögerte den nächsten Sprung in die Gefahr noch ein wenig hinaus, hier, in der flüchtigen Sicherheit des dunklen, stillen Hauses. Er ließ ihre Hand kurz los, um nach einem weißen Hut an einem Haken an der Tür zu greifen. Dann aber nahm er ihre Hand erneut und zog sie eng an seine rechte Seite, hakte ihre Finger in seiner Ellenbeuge ein. Das Päckchen mit dem Baby hielt er sicher im anderen Arm.
    »So werden wir gehen«, sagte er.
    »Also hast du tatsächlich einen Plan?« Sie sah auf und begegnete seinem Blick unter der weißen Krempe. Er sah sie mit der ihm eigenen Konzentration an, aber seinen Mund umspielte ein kaum wahrnehmbares Lächeln. »Ich muss schon sagen. Die Versuchung ist groß, dich zurück zur Bastion zu bringen und in die Geburtstagsfeier meiner Schwester zu platzen. Eigentlich gehörst du da hin.«
    Sie lachte auf. »Jetzt weiß ich, dass du den Verstand verloren hast.«
    Er legte den Kopf schief. »Ich hätte dich vor langer Zeit schon treffen sollen.«
    »Außerhalb der Mauer?«
    »Zunächst einmal sollte es eine Mauer gar nicht geben«, sagte er.
    »Es gibt aber eine«, sagte sie und sah wieder nach draußen zu dem Nieselregen im Lampenlicht.
    »Pass auf«, sagte er. »Wenn etwas schiefgeht, wenn wir getrennt werden, möchte ich, dass du deinen Plan verfolgst und ins Ödland gehst. Geh nach Norden.«
    »Wir trennen uns nicht.«
    »Ich weiß, aber wenn wir nun doch …«
    »Leon«, sagte sie und nahm seinen Arm. »Das wird nicht passieren. Wir bleiben zusammen.«
    Sie erwartete, dass er nicken würde, aber stattdessen richtete sich sein Blick wieder auf die offene Tür. Sie fragte sich, ob es wirklich einen Unterschied machte, ob sie noch ein paar Minuten warteten oder nicht. Es war so gut wie sicher, dass man sie fassen würde, sobald sie die Mauer erreichten, wenn nicht schon früher.
    »Du solltest etwas über mich wissen«, sagte er leise.
    Sie sah erwartungsvoll zu ihm auf.
    »Ich weiß nicht, ob ich das Richtige tue«, fügte er hinzu. »Für dich.«
    Sie strich sich eine Strähne ihres dunklen Haars zurück, unsicher, was sie erwidern sollte. »Was meinst du damit?«
    »Ich möchte bloß sichergehen, dass du deine eigenen Entscheidungen triffst. Ich bin nicht sehr gut darin, zu beurteilen, was gut für andere Menschen ist.«
    Sie löste den Griff um seinen Arm und schaute ihn fragend an.
    Gleich hinter den Säulen fiel der Regen sanft auf den Gehweg und das Gras und tauchte alles in ein silbriges Grau. Leon schien durch das Halbdunkel in eine andere Zeit zurückzublicken, und obwohl sie das Gefühl hatte, er entferne sich von ihr, fühlte sie auch, dass sie kurz davor stand, ihm näher als jemals zuvor zu sein. Langsam trat er zu dem schmalen Tisch im Flur und setzte die Geschenktüte mit Maya sanft darauf ab. Dann verschränkte er die Arme.
    »Vor zwei Jahren«, sagte er, »als meine Schwester Fiona gerade zwölf war, spielten sie und ich eines Abends im Wintergarten Schach. Es gab einen heftigen Sturm, so wie heute.«
    Ein kühler Nebel drang durch die offene Tür, doch in ihrem Inneren fühlte Gaia eine noch tiefere Kälte. Sie ahnte, dass er ihr etwas anvertraute, was er noch nie jemandem erzählt hatte. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es unter dem Glasdach gewesen sein musste, mit all dem Regen, der darauf niederprasselte. »Warum habt ihr nicht woanders gespielt?«
    »Sie mochte den Sturm«, sagte er. »Es fühlte sich an, als sei die Luft elektrisch geladen, und sie mochte das. Dann aber fiel der Strom aus. Da war nur noch Schwärze, so dunkel wie der Tunnel ohne Kerzenlicht. Dann schossen plötzlich diese wilden, krachenden Lichtblitze durch den Raum. Es war, als
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