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The Cutting

The Cutting

Titel: The Cutting
Autoren: James Hayman
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die er sich jetzt nicht leisten konnte. Er schüttelte sie ab.
    Er ging um die Terrasse herum, hielt sich im Schatten, machte keine Geräusche und wich den Überbleibseln des vergangenen Sommers aus, den Korbstühlen und -tischen mit den sich ablösenden Weidenflechten. Der Schaukel. Einer antiken Zwei-Mann-Säge, die in einer Ecke lehnte. McCabe ging weiter und gelangte auf die Rückseite des Hauses. Dort befand sich eine Tür, die anscheinend zu einem kleinen Hausarbeitsraum führte. Er drehte probeweise am Knauf. Unverschlossen. Kein Einbruchswerkzeug erforderlich. »Ich gehe rein«, flüsterte er in sein Headset. Er machte die Tür auf und trat ein.
    In seinem Ohr sagte Maggies Stimme: »McCabe, was zum Teufel hast du …«
    Er schnitt ihr das Wort ab, indem er flüsterte: »Sei still, oder ich stell das Ding ab.«
    »Gut«, erwiderte sie, aber ihr Tonfall machte eindeutig klar, dass sie das alles andere als gut fand.
    Er betrat das Haus und knipste seine Maglite an. Ein kleiner Raum, der in eine große, offene Küche führte. Er ließ den Strahl der Taschenlampe umherwandern. Giftgrüne Wände. Ein Stromkasten, mit Farbe zugekleistert. Ein Linoleumfußboden mit einem schwarz-weißen Schachbrettmuster. Ein Stapel Umzugskartons in einer Ecke. Auf jedem Karton stand UNITED VAN LINES. A. JACKMAN & SÖHNE, UMZÜGE. 622 EAST 88th STREET, NEW YORK, NY 10022. McCabe knipste die Taschenlampe aus und ging durch die dunkle Küche auf das Licht und das Zimmer zu, in dem der alte Mann dösend im Sessel saß.
    Im Flur hingen zahlreiche Fotos an der Wand. Darauf war der berühmte Pianist mit noch berühmteren Persönlichkeiten zu sehen. Fred Astaire und Ginger Rogers. Henry Kissinger. Ronald und Nancy Reagan. Auch ein paar Familienbilder waren dabei, überwiegend in waldiger Umgebung aufgenommen, also wahrscheinlich hier. Besonders zwei Aufnahmen erregten McCabes Interesse. Eine zeigte den alten Kane und seine Frau mit ihren beiden Söhnen. Der eine war eindeutig Lucas, der andere deutlich jünger. Der berühmte Pianist hatte jedem seiner Söhne eine Hand auf die Schulter gelegt. McCabe fragte sich kurz, was wohl aus dem jüngeren Sohn geworden war. Auf dem zweiten Bild war nur Lucas zu sehen, wie er im Alter von acht oder neun Jahren auf der Terrasse dieses Hauses stand. Er blickte mit seinen dunklen, durchdringenden Augen ernst und ohne zu lächeln direkt in die Kamera. Auf dem Kopf trug er einen kegelförmigen Geburtstags-Partyhut und im Arm einen kleinen Hasen, vielleicht ein Geburtstagsgeschenk.
    McCabe betrat das Wohnzimmer. Der alte Mann schlief immer noch, sein Atem ging stoßweise. Ein Speichelfaden hing ihm im Mundwinkel. McCabe stand im Schatten, nahe genug bei Kanes Sessel, dass dieser ihn sehen und hören konnte, aber so, dass er vom Zimmereingang aus gesehen zumindest halbwegs verdeckt war.
    Maurice Kane schlug im Schlaf nach etwas, dann brabbelte er Worte, die McCabe nicht verstehen konnte.
    »Mr. Kane? Mr. Kane, aufwachen. Ich muss mit Ihnen reden.«
    Der alte Mann blinzelte in Richtung Schatten, versuchte, die Stimme zu lokalisieren. »Wer sind Sie? Was wollen Sie in meinem Haus?« Es klang wie das raue Flüstern eines Sterbenden, sein britischer Akzent stärker als der amerikanische.
    »Wo ist Lucas?«
    »Lucas? Lucas ist tot. Wer sind Sie?«
    »Nein, Lucas lebt, Mr. Kane. Ich bin Polizist. Detective Michael McCabe. Portland Police Department. Ich muss wissen, wo Lucas ist.«
    »Ein Polizist«, wiederholte Kane. »Wie sind Sie hereingekommen?«
    »Bitte, Mr. Kane. Lucas. Wo steckt er?«
    Der alte Mann blickte ihn verständnislos an. Das dauerte viel zu lange, dachte McCabe. Lucindas Überlebenschancen sanken mit jedem verstreichenden Augenblick. Scheiß drauf. Dann würde er eben zuerst das Haus durchkämmen und später noch einmal versuchen, irgendetwas aus dem Alten herauszuquetschen.
    Da leuchteten die Strahlen eines Scheinwerferpaares durch die Fenster, strichen an der hinteren Zimmerwand entlang und erhellten schließlich die dunkle Ecke, in der McCabe stand. Er trat ans Fenster und spähte vorsichtig hinaus. Er konnte nichts erkennen.
    »McCabe?« Das war Maggie.
    »Was?«
    »Da ist gerade ein Krankenwagen zum Gästehaus gefahren. Ich beobachte ihn durch das Fernglas. Ich gehe jetzt näher ran.«
    McCabe hörte es rascheln und Maggie atmen. Er wartete.
    »Okay, jetzt kann ich besser sehen. Und, was schätzt du? Dr. Wilcox kommt aus dem Heck gesprungen. Jetzt eine Frau. Jetzt steigt der Fahrer aus. Er
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