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The Cutting

The Cutting

Titel: The Cutting
Autoren: James Hayman
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Nachbarschaft lebenden Hunde und deren Besitzer fernzuhalten. Die ältesten Grabsteine datierten aus dem späten siebzehnten Jahrhundert, viele Namen und Zahlen waren mittlerweile bis zur Unleserlichkeit verblasst. Aber die, die noch zu entziffern waren, trugen die Namen der bekanntesten Familien aus der frühen Stadtgeschichte Portlands: Deering, Dana, Brackett, Reed, Preble. Es waren alte Yankee-Namen, von denen viele eine gewisse Unsterblichkeit erlangt hatten, indem die Straßen und Plätze einer jungen, aufstrebenden Stadt nach ihnen benannt worden waren. Jüngere Steine markierten die Grabstätten irischer, italienischer und frankokanadischer Einwanderer, die in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts hierhergekommen waren, um in der aufblühenden Schiffbauindustrie oder beim Eisenbahnbau Arbeit zu finden. Heutzutage wurden jedoch keine Toten mehr hier bestattet, ungeachtet ihrer Abstammung oder ihres Einflusses. Der Friedhof war voll. Die letzten Grabsteine stammten aus den Jahren unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.
    Angesichts des immer dichter werdenden Nebels überlegte Lucy, ob sie ihren Lauf abblasen sollte, aber nur kurz. Sie war achtundzwanzig Jahre alt und befand sich in der Vorbereitung auf ihren ersten Zehn-Kilometer-Lauf. Und sie besaß mehr als genug Selbstdisziplin, um ihren Trainingsplan nicht von ein paar flüchtigen morgendlichen Nebelschwaden über den Haufen werfen zu lassen. Es war schon schwierig genug, das Training überhaupt irgendwie unterzubringen, angesichts der vielen Stunden, die sie als neueste Account-Managerin von Beckman & Hawes, der größten Werbeagentur der Stadt, in ihrem Büro zubrachte. Und außerdem kannte Lucy die Route genau. Solange sie sich vor unebenen Gehwegplatten in Acht nahm, war der Nebel kein Problem.
    Die kühle Luft strich über ihre nackten Beine, als Lucy mit ihren Dehnübungen anfing – Waden, Oberschenkel, Adduktoren. Sie zog sich das übergroße Bates-College-Sweatshirt über den Kopf, wodurch sie den Blick auf einen weißen Sport-BH und blaue Nylon-Shorts freigab, und warf es in ihren betagten Toyota Corolla.
    Nirgendwo waren andere Jogger oder Leute mit Hunden zu sehen, und es konnte gut sein, dass sie und Fritz heute keiner Menschenseele begegnen würden. Sie zog ihm das Halsband ab und ließ ihn laufen. Er war gut abgerichtet und würde in ihrer Nähe bleiben. Dann stülpte sie eine Baseballmütze mit dem Emblem der Portland Sea Dogs über ihre blonden Haare und zog den Pferdeschwanz durch das elastische Band am Hinterkopf. Sie legte sich die Hundeleine über die Schultern und lief im lockeren Trab die Vaughan Street entlang, während Fritzy in regelmäßigen Abständen ein Stück vorausrannte, um an Bäumen oder Laternenpfählen seine Duftmarke zu hinterlassen.
    Lucy genoss es, in der Ruhe der frühen Morgenstunden durch eine gehobene Wohngegend wie diese zu laufen. In jeder Straße reihten sich elegante Häuser aus dem 19. Jahrhundert aneinander, und sie blickte in die Fenster und stellte sich vor, wie es wäre, in einem davon zu wohnen. Die Vorstellung gefiel ihr. Sie würde elegante Dinnerpartys veranstalten. Die Speisen wären schlicht, aber perfekt zubereitet. Die Weine kostbar. Die Männer attraktiv. Die Gespräche geistreich. Alles schrecklich vornehm wie in irgendwelchen Kostümschinken. Na ja, eine hübsche Vorstellung, aber nicht besonders wahrscheinlich. Sie wusste, dass sie für ein solches Leben nicht geschaffen war. Sie sah zu, wie Fritz ein Stück vorausjagte, sich dann umdrehte und auf sie wartete.
    Lucy lief durch die feuchtkalte Morgenluft und brachte ihren Pulsschlag auf Aerobic-Niveau. Sie dachte an den vor ihr liegenden Tag und ging zum mindestens zwanzigsten Mal die Einzelheiten einer Fernsehkampagne durch, die sie der Marketingabteilung der Mid-Coast-Bank vorstellen wollte. Sie hatte sich den Arsch aufgerissen, um diesen neuen Kunden an Land zu ziehen, der sich dann aber als ausgesprochen schwierig und wählerisch erwiesen hatte. Nach der Arbeit wollte sie kurz bei Circuit City vorbeischauen und ein Geburtstagsgeschenk für ihren Neffen Owen besorgen, der demnächst seinen zwölften Geburtstag feierte. Owen war der Sohn ihrer älteren Schwester Patti und hatte ihr verraten, dass er sich »wirklich, wirklich doll« einen iPod wünschte, aber er hatte nicht besonders zuversichtlich gewirkt. »Wir haben für so etwas dieses Jahr kein Geld«, fügte er in einem ernsten, erwachsenen Tonfall hinzu, der sich
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