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The American Monstershow in Germany

The American Monstershow in Germany

Titel: The American Monstershow in Germany
Autoren: David Pawn
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„Nein“, antwortete er schlicht. „Ich glaube absolut nicht, dass das ein Grund sein könnte, verrückt zu werden.“
    „ Mag sein, dass du das so siehst“, erwiderte der alte Mann. „Wie schön für dich. Ich hatte einmal einen Kumpel, der landete in Arnsdorf. Ihr wisst ja, Arnsdorf, das ist das Badlam der Dresdner. Da landen alle, die es nicht packen, mit ihrer Umwelt zurechtzukommen. Mein Kumpel war zur Entziehung dort.“
    ‚ Du warst wohl selbst dieser Kumpel‘, ging es Gerald durch den Kopf, aber er schwieg. Der alte Mann liebte es nicht, in seinen Erzählungen unterbrochen zu werden.
    „ Ihr wisst sicher, dass ein guter Teil der Patienten in Arnsdorf zu den Suchtkranken gehört. Früher waren es ausschließlich Alkoholiker und Tablettenfreaks, jetzt kommen auch Fixer und Kokser und was weiß ich noch hinzu. Es soll sogar ein Fall von Spülmittelsucht eingeliefert worden sein, hat mein Kumpel mir erzählt. Aber damals war er gerade erst trocken gesetzt worden, man weiß ja, was Alkies dann alles so erzählen. Aber in Arnsdorf gibt es auch eine geschlossene Abteilung. Jeder weiß, was das bedeutet. Psychisch Kranke sind in aller Regel nicht so gebrechlich, dass man sie deshalb nicht draußen rumlaufen lässt. Wenn sie also in einer geschlossenen Abteilung untergebracht sind, so tut man das nicht oder nicht nur zu ihrem Schutz. Einmal hat mein Kumpel mit einem aus der Geschlossenen gesprochen. Der hat ihm seine Geschichte erzählt, und ich will verdammt sein, aber als mein Kumpel sie mir wiedererzählt hat, war ich mir gar nicht so sicher, ob dieser Typ überhaupt nach Arnsdorf gehört.“
    Der alte Mann nahm einen großen Schluck Bier aus der Flasche, dann wischte er sich den Schaum mit dem Handrücken von Mund und Bart und begann die Geschichte von Christian Bertram zu erzählen, die eigentlich die Geschichte von Clarissa war:
     
    Dieser Verrückte hieß Christian Bertram, und er behauptete, einmal Schriftsteller gewesen zu sein. Ich muss allerdings zugeben, nie von einem Schriftsteller gehört zu haben, der Christian Bertram hieß, aber vielleicht benutzte er auch ein Pseudonym, wenn er veröffentlichte. Mit Sicherheit besaß dieser Mann eine Gabe, die jedem guten Schriftsteller eigen sein sollte. Er hatte eine üppige fast kindliche Phantasie. Aber diese Gabe des jungen Mannes (er war kaum über 30) war auch sein Fluch, denn er wurde gemieden. Besser gesagt, die Frauen mieden und verlachten ihn. Er wurde mehr das Ziel ihres Spottes als ihrer Liebe, obwohl gerade diese ihm besonders am Herzen lag. Er träumte von einer großen, tief empfundenen Liebe, die allen Stürmen des Lebens trotzte und selbst den dunklen, endlosen Tunnel des Todes noch erhellte, wie er selbst es beschrieb. Er sagte, diese Liebe sei Kernpunkt aller seiner Erzählungen und Gedichte gewesen, und man kann sich vorstellen, dass das Schmalz nur so heraustropfte, wenn man diese Werke zur Hand nahm. Frau Hedwig Courths-Mahler wäre stolz auf Herrn Bertram gewesen. Dennoch verstehe ich persönlich nicht, warum dies dazu geführt haben soll, dass Herrn Bertrams Einsamkeit von Tag zu Tag wuchs, denn ich kenne genug Frauen aller Altersgruppen, die gerade solche Geschichten lieben.
    Aber vielleicht war es die ganze Art von Herrn Bertram, die ihn zur komischen Figur machte. Damit aber wurde Christian Bertram zum Opfer seiner Phantasie. Er begann, sich eine Geliebte zu erschaffen, die genau seinen Vorstellungen von einer idealen Frau entsprach. Diese Frau, die er Clarissa nannte, wurde fortan sein Idol. Er suchte sie. Er glaubte an ihre wahrhaftige Existenz und versuchte, sie zu finden, wo er ging und stand.
    Clarissa war eine Phantasiegestalt, aber in Christian Bertrams Hirn hatte sie einen Grad an Fleischlichkeit gewonnen, den manche Frau nicht erreichte, die tatsächlich durch die Straßen lief. Er betete diese Frau an. Je mehr er sich an Clarissa band, umso weniger fand er Anschluss an reale Personen, und je mehr er vereinsamte, desto stärker wurde seine Beziehung zu seiner Phantasiegestalt. Dies war der Teufelskreis, dem er nicht entkommen konnte.
    Christian Bertram ging mit Clarissa zum Einkaufsbummel. Er kaufte ihr Kleider und Schmuck. Er ging mit Clarissa zum Tanz. Wenn er dann allein über die Tanzfläche schwebte, und alle um ihn herum nur ein mitleidiges Lächeln für ihn übrig hatten oder eine spöttische Bemerkung, so versenkte er den Blick in Clarissas wundervolle tiefschwarze Augen und trank Zuversicht und Glück von ihren
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