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THARKARÚN – Krieger der Nacht

THARKARÚN – Krieger der Nacht

Titel: THARKARÚN – Krieger der Nacht
Autoren: Chiara Strazzulla
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Tharkarún an die Wand der Grube kettete und seine ganze Macht in die Waagschale warf, um ihn mit magischen Zeichen zu umgeben.
    Wie bei einer heiligen Handlung gab jeder ein Stück von sich, das er zum Schutz der acht Völker hinterlassen wollte: die weißgoldene Brosche, die Aldamir aus Nil’ Drasha Thix Velinan geschenkt hatte, als er beim gemeinsamen Marsch glaubte, einen Landsmann vor sich zu haben. Das Säckchen mit den Ulmenblättern, das Allan Sirio im Frieden der Heiligen Erde Morosilvo Dan Na’Hay um den Hals gelegt hatte. Die zwei Silbermünzen, die Pelcus aus Morosilvos Börse gestohlen hatte, kurz bevor sie
den Undurchdringlichen Hort erreichten. Eins der vielen Wurfmesser, die Ardrachan Caleth stets in den Falten seines Gewandes verbarg. Ein Ohrring von Ametista. Ein Knopf von Arinths Wams. Fariks Gürtelschnalle und eine Münze aus Shaka Aleks Haaren, die die Shardari für ihn geschmiedet hatten, um die verloren gegangenen zu ersetzen.
    Der Magus nahm die Gaben in seine großen Hände, und als er mit ihnen davonschritt, fühlten sich die Gefährten seltsam leer.
    Als der Magus wiederkehrte, wurde ihnen bewusst, dass sie Sand in ihren Haaren und unter den Fingernägeln hatten. Den Sand konnte man abwaschen, doch die schwarzen Zeichen auf ihrer Haut würden nie wieder verblassen. Sie sahen auf die Ruinen des Undurchdringlichen Horts und auf die Grube, die eine nicht endgültig vernichtete, sondern nur schlummernde Gefahr in sich barg. Und sie fühlten sich, als hätten sie gerade einem Begräbnis beigewohnt und als ob nun alles getan war.
    Sollten sie sich nun vielleicht trennen und jeder in sein früheres schändliches Leben zurückkehren? Sie hatten ihre Gemeinschaft so lange gehasst, und nun, da sie so viel gemeinsam durchgestanden hatten, konnten sie sich kaum vorstellen, dass sie erneut jeder für sich im gerade begonnenen fünften Zeitalter leben sollten. Keiner von ihnen war so naiv zu glauben, er könne jetzt einfach so seiner Wege gehen, als ob nichts geschehen wäre. Das Erlebte hatte tiefe Wunden hinterlassen, und ehe sie ihr Leben wieder aufnehmen konnten, mussten sie sich die Zeit nehmen, die Verletzungen heilen zu lassen. Das wusste auch der Magus. Vielleicht hatte er als Einziger schon von Anfang an gesehen, wie groß ihr Opfer war.
    Ein Geräusch ertönte über ihnen, ein sanfter, gedämpfter Laut. Sie schauten auf und sahen Verannon, den Uhu, über ihren Köpfen dahingleiten, bevor er auf der Schulter des Magus landete. Keiner wunderte sich, dass er ausgerechnet jetzt auftauchte, und niemandem fiel auf, dass ein Uhu überhaupt nicht zu dieser Tageszeit
passte. Langsam strich der Magus dem Vogel über den Rücken und der Uhu gurrte leise in sein Ohr. Der Magus nickte und wandte sich wieder an die kleine Gemeinschaft, die er erst in die Dunkelheit begleitet und dann wieder hinausgeführt hatte.
    »Jetzt ist es wirklich vorbei«, sagte er. »Kommt nun mit zur Großen Mauer in der Ebene und trefft das vereinte Heer der acht Völker. Sie warten nur auf uns oder besser gesagt: auf euch!«
    Zum ersten Mal seit ihrem Aufbruch streckte er ihnen freundschaftlich die Hand entgegen und da begriffen sie, dass sie sich alle bei der Hand nehmen mussten, um zusammen zu reisen, selbst wenn sie sich noch nie auf die vom Magus beschriebene Art fortbewegt hatten. Es war etwas ungewohnt. Keiner von ihnen hatte in seinem ganzen Leben die Hand nach jemandem ausgestreckt, höchstens, um ihm Armbänder oder Börsen abzunehmen – und außer in der totalen Finsternis des Undurchdringlichen Horts.
    Dies war eine große Geste des Vertrauens, auch wenn sie für andere Augen nicht so wirken mochte. Und doch war ihr gegenseitiger Argwohn noch nicht völlig verschwunden. Die Magie mochte ihr Wesen verändert haben und vielleicht waren sie auch plötzlich zu Helden geworden, weil sie die Welt vor der dunkelsten Bedrohung aller Zeiten gerettet hatten, aber eigentlich waren sie immer noch die Schurken von einst geblieben. Dennoch hatten sie keine Wahl, wenn sie diese Wüste verlassen und sich ihre Belohnungen und die versprochenen Ehren abholen wollten.
    Seufzend rang sich Morosilvo dazu durch, die Hand des Magus mit seiner Rechten und mit seiner Linken die von Farik zu ergreifen.
    »Gehen wir«, wiederholte der Magus. Ja, gehen wir endlich, stimmte ihm Morosilvo innerlich zu. Dann begann sich die Wüste um sie herum zu drehen und er bereute seinen Gedanken gleich wieder.Vielleicht wäre ein Fußmarsch ja doch besser,
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