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Teuflische Versprechen

Teuflische Versprechen

Titel: Teuflische Versprechen
Autoren: Andreas Franz
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an.«
    »Keine Polizei, bitte«, flehte Maria noch einmal, die fürchtete, Verena Michel könnte von einem Nebenraum aus zum Telefon greifen.
    Verena, die bereits auf der ersten Treppenstufe stand, drehte sich wieder um und kam zurück und sah Maria einen Moment an, ohne etwas zu sagen, aber ihr Blick drückte mehr aus, als tausend Worte es vermocht hätten. Dann sagte sie ernst und doch fürsorglich: »Hören Sie mir jetzt bitte gut zu. Hätte ich Sie mit zu mir nach Hause genommen, wenn ich die Polizei rufen wollte? Ich hätte vorhin genauso gut an einem Revier anhalten können, wenn ich das vorgehabt hätte. Ich gehe nur nach oben ins Schlafzimmer und ziehe mich um. Wenn Sie möchten, können Sie mitkommen.«
    »Ich würde mir gerne das Haus anschauen«, sagte Maria.
    »Sicher, schauen Sie sich um«, entgegnete Verena verständnisvolllächelnd. Sie ging vor ihr die Treppe hinauf. Maria hielt sich an dem Holzgeländer fest, die Stufen knarrten unter ihren Schritten.
    »Das ist mein Schlafzimmer. Wir können Ihnen auch gleich etwas Bequemeres zum Anziehen raussuchen, wir haben zum Glück in etwa die gleiche Größe. Und danach steigen Sie in die Badewanne, und ich bestelle uns beim Italiener etwas zu essen. Und dann erzählen Sie mir alles. Einverstanden?«
    »Ja.«
    Verena Michel machte den Kleiderschrank auf, holte einen Hausanzug heraus, legte ihn aufs Bett und begann sich umzuziehen.
    »Darf ich fragen, wie alt Sie sind?«
    »Natürlich dürfen Sie das. Ich bin siebenunddreißig. Und Sie?«
    »Zwanzig, fast einundzwanzig. Sie haben eine sehr gute Figur.«
    »Danke. Das hat mir schon seit Ewigkeiten keiner mehr gesagt. Tja, so vergehen die Jahre. Aber ich treibe auch viel Sport, ich laufe sehr viel, ich habe sogar schon einmal an einem Marathonlauf teilgenommen.«
    »Wer ist der Mann dort auf dem Foto?«, fragte Maria und deutete auf den Nachtschrank.
    »Das ist mein Mann.«
    »Sie haben aber vorhin gesagt, dass Sie allein leben.«
    »Er ist vor drei Jahren gestorben. Krebs. Seitdem arbeite ich nur noch und wohne ganz allein in diesem viel zu großen Haus, das ich mir mehr aus Frust gekauft habe. Ich habe noch ein anderes Haus, von dem ich mich aber nicht trennen kann. Es hängen einfach zu viele Erinnerungen daran. Schöne Erinnerungen.«
    »Das tut mir leid.«
    »Wir haben uns seit unserer Kindheit gekannt, und ich habe ihn geheiratet, als ich achtzehn war. Und nach sechzehn Jahren war alles vorbei, weil die Krankheit stärker war.«
    »Wollen Sie nicht wieder heiraten?«
    »Nein. Ich glaube, es gibt keinen Mann, der Wolfgang ersetzen könnte. Ich komme auch so ganz gut zurecht.« Und nach einer kurzen Pause: »Suchen Sie sich etwas aus. Ich hätte noch einen Hausanzug in Blau, der würde Ihnen bestimmt sehr gut stehen. Übrigens, ich heiße Verena.«
    Sie reichte Maria die Hand. Allmählich wurde sie zutraulicher, wie eine scheue Katze, die erst einmal aus angemessener Distanz einen fremden Menschen beschnuppern muss, bevor sie sich von ihm streicheln lässt. Sie spürte instinktiv, dass Verena eine einsame Frau war, froh, für eine Weile, ein paar Stunden, vielleicht auch ein paar Tage jemanden in diesem großen Haus zu haben, der ihr Gesellschaft leistete. Maria hatte im Laufe der letzten Jahre die Menschen kennen gelernt, Männer wie Frauen, und sie konnte sofort einschätzen, wer im Innern gut war und wer nicht. Sie hatte einige Kunden gehabt, unter ihnen auch Frauen, die ihre Bisexualität ausleben wollten, die keinen harten Sex verlangten, nur nach ein wenig Zärtlichkeit suchten, die sie offensichtlich nirgendwo sonst fanden und bekamen. Manche sprachen über ihre intimsten Dinge mit ihr und erzählten, dass sie am liebsten diesem Leben entfliehen würden, irgendwohin, wo sie keiner kannte. Auf der andern Seite gehörten sie aber auch zu jenen, die es duldeten, dass Frauen wie Maria ausgenutzt wurden.
    Es hatte Zeiten gegeben, da hatte sie mit dem einen oder andern sogar so etwas wie Mitleid verspürt, auch wenn sie wie eine Sklavin gehalten wurde, aber irgendwann war es auch mit dieser Empfindung vorbei gewesen. Da dachte sie nur noch an sich und den Tag, an dem sie selbst endlich diesem Grauen entfliehenkonnte. Jeder von den Menschen, die gekommen waren und Sex oder Gespräche verlangt hatten, konnte hinterher wieder nach Hause fahren und tun und lassen, was er wollte. Etwas, das Maria in den vergangenen beinahe vier Jahren verwehrt worden war, das sie härter und bitterer werden ließ. Was jedoch
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