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Teuflische Lust

Teuflische Lust

Titel: Teuflische Lust
Autoren: Kerstin Dirks
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Jugendliche darin gebadet, um sich abzukühlen, denn das Thermometer hatte 34°C im Schatten angezeigt.
    Es war für Alexia eine Umstellung gewesen, plötzlich nicht mehr im Zentrum zu leben, umgeben von riesigen Bautenund einer Asphaltwüste mit winzigen grünen Flecken hier und da. Manchmal ertappte sie sich dabei, wie sie die morgendliche Hektik, wenn die Menschen zur Arbeit fuhren, das Hupkonzert auf den Straßen und die blinkenden Lichter am Abend vermisste.
    Der Lazarusweg und der Kiez, der ihn umgab, ließen sie oft glauben, sie lebte eigentlich in einer kleinen Stadt auf dem Lande. Alexia hatte eine Weile gebraucht, ehe sie sich an diese Abgeschiedenheit gewöhnt hatte. Wie schön war es da, dass sie sich mit ihren Nachbarn so gut verstand. Innerhalb kurzer Zeit hatte sie fast alle Bewohner des Hauses näher kennengelernt. Man grüßte sich freundlich, man wusste, wie es dem anderen ging, man unterstützte sich in schweren Zeiten. An manchen Tagen brauchte sie nicht einmal eine Uhr, um zu wissen, wie spät es war, denn sie kannte ihre Nachbarn und deren Gepflogenheiten fast so gut wie ihre eigenen. Melli Braun, die kleine graue Maus aus dem Erdgeschoss, verließ jeden Morgen um 8 Uhr das Haus, um Brötchen und die Morgenzeitung zu holen, und Frau Wagner, die direkt unter Alexia wohnte, ging eine Stunde später einkaufen. Nur ihren neuen Nachbarn Marcel Klett, der neben ihr eingezogen war, konnte sie noch nicht recht einordnen.
    Alexia zog sich ihren graugelben Jogginganzug über, der vor langer Zeit einmal weiß gewesen war, schlüpfte in die Turnschuhe und legte die Schweißbänder an. Ihre Haare waren nach dem letzten Friseurbesuch zu kurz, um sie zu einem Zopf zu binden. Dafür hatten sie durch den Bobschnitt deutlich an Volumen gewonnen. Sie streifte ein Stirnband in derselben Farbe wie die Schweißbänder über und gab ihrem Kater Karli eine große Portion Huhn in Gelee, ehe sie die Wohnung im leichten Trab verließ.
    Alexiawar schon immer etwas korpulenter gewesen, und dass sie den überschüssigen Pfunden den Kampf ansagte, war auch nichts Neues. Von der Crashdiät bis hin zu den Weight Watchers hatte sie schon alles probiert, doch der gewünschte Effekt war ausgeblieben. Manchmal war sie fast so weit gewesen, sich damit abzufinden, dass sie wohl nie rank und schlank sein würde. Was sagte die kleine Melli, wenn sie sich bei ihr ausweinte? »So hat man mehr zum Liebhaben.«
    Aber Alexia war ehrgeizig, sie wollte sich nicht damit zufrieden geben, wie sie war. Sie wollte kämpfen. Nach einiger Überwindung hatte sie sich entschieden, Sport zu treiben, obgleich sie nie eine Sportskanone gewesen war. Die ersten Erfolge ließen sich schon sehen. Innerhalb von zwei Wochen hatte sie fast zwei Kilo verloren. Am Anfang ging es immer schnell, dessen war sie sich durchaus bewusst.
    Sie joggte durch die herrliche Grünanlage unweit ihrer Wohnung, blinzelte durch das Blätterdach hinauf zu den Sonnenstrahlen, die sanft auf sie hinabschienen, und genoss die wohltuende Wärme. Die erste Runde hatte sie gemeistert, mit dem Ziel, eine zweite folgen zu lassen.
    Ein Jogger in knappen Shorts überholte sie, drehte sich im Laufen um und zwinkerte. »Kommen Sie«, rief er ihr entgegen. Alexia war verwirrt. »Ich ziehe Sie«, erklärte er und lief einen Kreis um sie. Alexia beneidete ihn um seine Kondition. Bei ihm sah es so einfach aus. Locker und leichtfüßig hoben sich seine Turnschuhe vom sandigen Boden ab. Es schien ihn nicht die geringste Kraft zu kosten.
    »Nein, danke. Sehr nett«, versuchte sie ihn abzuwimmeln, aber der Kerl blieb hartnäckig. Sie war ihm in den letzten Tagen öfter begegnet, aber er hatte sie nie angesprochen. Bis jetzt.
    »VersuchenSie es«, motivierte er sie und rannte ein Stück voraus. »Sie schaffen das.«
    Alexia versuchte, zu ihm aufzuschließen, doch immer, wenn sie ihn fast eingeholt hatte, legte er einen Zahn zu. Das war sicher gut gemeint gewesen, doch schon nach wenigen Sekunden plagten sie die ersten Seitenstiche. Er war einfach zu schnell für sie. Erschöpft hielt sie an, stützte sich an einer Bank ab und beugte den Oberkörper vor. Sie spürte den Puls bis in ihre Schläfen. Fit war sie noch lange nicht. Aber daran arbeitete sie. Sie musste nur ihr eigenes Tempo finden.
    Der Jogger kam zurück und sah sie besorgt an. »Alles okay bei Ihnen?«
    Sie nickte nur, unfähig zu sprechen.
    »Sicher?«
    Alexia nickte heftiger und winkte ab. Sie wollte ihn nicht aufhalten. Das war ihr
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