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Teuflische Lust

Teuflische Lust

Titel: Teuflische Lust
Autoren: Kerstin Dirks
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den Friedhof gegangen oder hatte ihr, wie heute, bei ihren Einkäufen geholfen. Frau Wagner erinnerte Alexia an ihre Großmutter Adelia, die nicht mehr lebte, doch von Alexia schmerzlich vermisst wurde. Sie hatte einen Großteil der Nachmittage ihrer Kindheit und Jugend in Adelias Obhut verbracht, weil ihre Eltern berufstätig waren. Adelia war einer der wichtigsten Menschen in Alexias Leben gewesen, und es schmerzte sie sehr, dass sie nicht die Gelegenheit gehabt hatte, sich von ihrer Großmutter zu verabschieden. Vielleicht suchte sie auch deshalb Frau Wagners Nähe, um dieses Versäumnis irgendwie nachzuholen.
    Alexias Blick glitt an ihrem durchgeschwitzten Jogginganzug hinab. Es wäre wohl besser, sie würde erst einmal eine heiße Dusche nehmen.
    »Kommen Sie, Kindchen. Ich bin doch auch nicht besser angezogen.«
    Alexia wollte widersprechen. Zwar wirkte der Rock der alten Dame, als stamme er aus den 70ern, und die olivgrüne Strickjacke hatte ihre besten Zeiten auch schon hinter sich, doch zumindest war sie nicht nass geschwitzt.
    Schon hatte Frau Wagner den Schlüssel im Schloss umgedreht und winkte ihre junge Nachbarin hinein. »Tun Sie mir doch den Gefallen.« Also gut, dachte Alexia und folgte ihr.
    Frau Wagners Wohnung wirkte wie aus einer anderen Zeit. Nicht nur ihr Rock hatte einen eindeutigen 70er-JahreTouch, auch das orangefarbene Muster der Tapeten stammte zweifelsohne aus dieser Zeit.
    »SetzenSie sich ins Wohnzimmer, ich bin gleich bei Ihnen.« Die alte Dame zog ihre Karre in die Küche, während Alexia die Familienfotos im Flur inspizierte, bevor sie in der Stube verschwand. Wenige Augenblicke später brachte Frau Wagner ein Tablett mit einer Kanne und zwei Tassen. Dass es sich um gutes Geschirr handelte, erkannte Alexia auf den ersten Blick. In dieser Wohnung schien alles von guter Qualität zu sein, anders hätte die Einrichtung wohl kaum an die dreißig  Jahre schadlos überstanden. Sie fühlte sich fast etwas unwohl, sich mit ihrer Hose auf das Polstermobiliar zu setzen, aber Frau Wagner gab ihr eine eindeutige Anweisung, im Sessel Platz zu nehmen.
    »Ich mache mir Sorgen um die kleine Maus«, erzählte Frau Wagner und goss ihnen beiden Ingwertee ein. Warmer Dampf stieg empor, als Alexia die Tasse annahm. Der herrlich würzige Geruch des Ingwers stieg ihr in die Nase. Sie liebte Frau Wagners Ingwertee.
    »Was ist mit Melli?«
    Frau Wagner nannte sie immer nur ›die kleine Maus‹, weil Melli außergewöhnlich klein, sehr dünn und äußerst zurückhaltend war. Ihre Stimme war so leise, dass selbst Alexia, die von sich glaubte, recht gute Ohren zu besitzen, sie nur schwer verstand. Außerdem war Melli blass, hatte mausgraue Haare und war generell eine sehr unauffällige Erscheinung.
    »Die Kleine tut mir so leid. Die ist doch so verliebt in diesen Klett.«
    Marcel Klett war beinahe zeitgleich mit Alexia in die 23 gezogen. Er war gutaussehend. Das war Alexia als Erstes aufgefallen. Viel mehr wusste sie nicht über ihn. Er hatte lange dunkle Haare, die ihm ins markante Gesicht fielen, sein Blickwar intensiv, als glühte in der schwarzen Tiefe seiner Augen ein unbändiges Feuer, und er hatte eine ausgesprochen gute Figur. Breite Schultern, schmale Hüften, einen kräftigen Oberkörper und sehr muskulöse Arme. Alexia fand, dass er eine gewisse Ähnlichkeit mit einem etwas athletischeren Johnny Depp hatte, nur dass er vermutlich größer war als der Hollywood-Schauspieler.
    Dass Melli in Marcel verliebt war, wusste jeder im Haus. Entweder, weil sie es selbst erzählt hatte, oder weil man es an ihrem verträumten Blick sah, wenn sie sich zufällig begegneten. Auch Alexia würde einem Mann wie Marcel Klett keinen Korb geben. Allerdings hatte sie beobachtet, dass Marcel jede Woche mit einer anderen Frau im Arm im Haus auftauchte. Und dass all diese Frauen ziemlich attraktiv waren. Eine wie Melli konnte da nicht mithalten. Alexia ebenso wenig. Aber einen Kerl, der seine Freundinnen wie die Unterhose wechselte, wollte sie auch gar nicht. Melli schien das zu übersehen. Bewusst oder unbewusst.
    »Sie wird immer dünner, dabei besteht sie doch ohnehin nur aus Haut und Knochen«, sagte Frau Wagner besorgt. »Nicht, dass sie ernsthaft krank wird.«
    Das war auch Alexia aufgefallen. Sie hatte zuerst geglaubt, es sich nur einzubilden. Doch da Frau Wagner es nun bestätigte, musste es wohl stimmen.
    »Ich werde mit ihr sprechen, Frau Wagner.«
    »Ah, das wäre gut. Das würde mich sehr beruhigen.«
    Alexia
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