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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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hast du mich erschreckt. Was willst du? Habe ich dich nicht auf dem Markt da unten gesehen?»
    Karla nickte. «Hier, Eure Börse. Sie wurde Euch gestohlen.»
    Verwirrt tastete Pater Fürchtegott nach seinem Gürtel. Aber da war nichts.
    «Wo hast du die her?»
    «Dem Dieb abgejagt.» Sie lachte.
    «Nun, dann danke ich dir sehr.» Pater Fürchtegott wollte nach der Börse greifen, aber das Mädchen riss sie im letzten Augenblick weg.
    «Ihr kriegt sie. Aber dafür will ich auch etwas von Euch.»
    «Von mir? Was kannst du schon von mir wollen?»
    «Ihr sollt mich mitnehmen. Ich werde Euch begleiten, Eure Reisegefährtin sein.»
    «Wie?» Pater Fürchtegott runzelte die Stirn. «Mich begleiten? Du weißt doch gar nicht, wohin mein Weg mich führt.»
    «Das ist mir gleich. Hauptsache, ich komme weg von hier.»
    Der Pater betrachtete das Mädchen. Sie war klein und schmal. Unter ihrer Kapuze ringelte sich eine braune Locke auf der Stirn. Ihre grauen Augen sahen ihn flehend an. Die zarten Nasenflügel zitterten leicht, und sie hatte die feingeschwungene Unterlippe zwischen die Zähne gezogen. Ihr Blick aber war entschlossen.
    «Du meinst es ernst, wie? Die Börse kann ich in den Wind schreiben, wenn ich dich nicht mitnehme, oder?»
    Das Mädchen nickte.
    «Hast du etwas angestellt? Bist du auf der Flucht vor deiner gerechten Strafe?»
    «Pah!» Das Mädchen warf den Kopf in den Nacken. «Angestellt habe ich nichts. Ich will nur weg von hier, weg aus dieser öden, trostlosen Gegend mit den öden, trostlosen Menschen.»
    «Ein Weib soll nicht in der Welt herumwandern, es soll an der Seite eines Mannes bleiben, heiraten und Kinder kriegen. So will es Gott. Willst du dich gegen den Herrn auflehnen?»
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Nicht gegen Gott. Aber gegen Leberecht. Und gegen die Stiefmutter. Und gegen den Weiler und das Leben dort.»
    «Aha.» Der Pater betrachtete das Mädchen genauer. Sie hat einen klugen Blick, dachte er. «Und was willst du stattdessen?»
    «Lernen», erwiderte sie schlicht. «Schreiben und Lesen und auch sonst alles, was es zu lernen gibt. Ich möchte mir eine Anstellung suchen und arbeiten. Eine gute Magd würde ich schon abgeben. Eine Mitgift werde ich mir zusammensparen. Und dann den heiraten, der mir am besten gefällt.»
    «Hirngespinste!» Pater Fürchtegott machte eine wegwerfende Handbewegung. «Eine Frau gehört ins Haus. Wohin soll das führen, wenn die Weiber lesen und schreiben können? Schon in der Bibel, genauer gesagt im Paulusbrief, steht: ‹Aber, wie nun die Gemeinde ist Christo untertan, also auch die Weiber ihren Männern in allen Dingen.›»
    Das Mädchen lächelte listig. «Seht Ihr, Pater, ich will ja auch ganz untertan sein unserem Herrn. Deshalb vertraue ich mich Euch an. Ist es nicht besser, einem Pater zu dienen, als der Geilheit eines dummen Schmiedes?»
    Verblüfft suchte Pater Fürchtegott nach einer Antwort. «Aber, aber», stammelte er. «Die Frau ist ein Missgriff der Natur mit ihrem Feuchtigkeitsüberschuss und ihrer Untertemperatur. Körperlich und geistig minderwertiger … eine Art verstümmelter, verfehlter, misslungener Mann. Die volle Verwirklichung der menschlichen Art ist nur der Mann. Das hat Thomas von Aquin, ein berühmter Kirchenlehrer, gesagt.»
    Das Mädchen zuckte die Achseln. «Dann wird das wohl so stimmen. Und Ihr seht selbst, dass es deswegen besser ist, Ihr kümmert Euch um mich, als mich dem rohen Kerl im Weiler zu überlassen.»
    Pater Fürchtegott rang die Hände und schickte einen flehentlichen Blick zum Himmel. Die Wolken hatten sich verzogen, und eine blasse Novembersonne schien über den Baumwipfeln.
    «Nichts Schändlicheres gibt es als das Weib, durch nichts richtet der Teufel mehr Menschen zugrunde als durch das Weib.»
    «Hat das auch Euer Kirchenlehrer gesagt?»
    «Nicht Thomas von Aquin, sondern ein anderer. Der heilige Anselm von Canterbury nämlich.»
    Pater Fürchtegott musterte das Mädchen eingehender. Sie würde wahrlich nicht weichen. Außerdem hatte sie seine Börse.
    «Also gut. Ich nehme dich mit bis zur nächsten Stadt oder zum nächsten größeren Ort. Aber keinen Schritt weiter.»
    Das Mädchen lächelte und streckte dem Pater die Hand hin. «Ich heiße Karla.»
    «Hocherfreut», murmelte der Pater. «Pater Fürchtegott.»
    Die beiden machten sich auf den Weg. Schweigend liefen sie nebeneinander her. Nur manchmal deutete Karla auf dieses oder jenes am Wegesrand. «Seht, Pater, den kleinen Pfad dort. Das ist ein
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