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Teufelsmond

Teufelsmond

Titel: Teufelsmond
Autoren: Ines Thorn
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Karla schüttelte den Kopf und stampfte mit beiden Füßen auf. Nein, sie würde nicht länger hier bleiben. Heute war ihr Glückstag. Heute würde sie den Weiler verlassen. Der Mönch war ihr von Gott geschickt worden. An seiner Seite konnte ihr nichts passieren. Sie würde ihn bis in die nächste größere Stadt begleiten. Ganz gleich, in welche. Nach Fulda vielleicht. Oder nach Marburg, nach Kassel, nach Eisenach oder auch nur nach Hersfeld. Und in der Stadt würde sie ihr Glück machen. Womöglich fand sie eine Stellung als Magd. Vielleicht konnte sie bei einem Bauern helfen. Am Ende würde noch ihr größter Wunsch in Erfüllung gehen, und sie fand Arbeit in einem Kloster und konnte in ihrer Freizeit von den Nonnen das Lesen und Schreiben lernen. Vielleicht endete sie nur als Wäscherin. Aber auch das war besser, als für den Rest des Lebens im Lüttergrund zu bleiben. Alles war besser, als hier zu bleiben.

[zur Inhaltsübersicht]
    Drittes Kapitel
    Pater Fürchtegott war seit Wochen allein unterwegs.
    Er war in Mainz aufgebrochen, hatte Frankfurt gestreift, in Vilbel seine Kutte zerrissen, in Ilbenstadt einer Tagelöhnerin die Sterbesakramente gegeben, in Grünberg bei den Antonitern übernachtet und in Alsfeld den letzten Tropfen Klosterwein aus seinem Proviant getrunken.
    Jetzt stand er in einem kleinen Weiler mitten im Lüttergrund an einem Käsestand, betrachtete die Menschen ringsum und seufzte. Das Käseweib hatte ihn argwöhnisch gemustert, ein Mann mit schweren Händen hatte ihn gerempelt, und dort drüben das Mädchen da im dünnen Umschlagtuch starrte ihn mit brennenden Augen an.
    Wieder seufzte er und verfluchte den Abt. Was, zum Kuckuck, sollte er hier? Sein Platz war in einem Kloster, am Schreibpult und nicht zwischen den Menschen.
    «Sagt, gute Frau, habt Ihr je von einer geheimen Bruderschaft gehört?», fragte er.
    Das Käseweib verschränkte die Arme vor der Brust. «Geheime Bruderschaft? Wenn ich davon wüsste, wäre sie wohl kaum geheim.» Sie schüttelte den Kopf.
    «Und die Lazarusbrüder? Gibt es die hier bei Euch?»
    «Die Lazarusbrüder? Nein. Hier gibt es nur die Schusterbrüder und die beiden Brüder der Seifensiederin.»
    Pater Fürchtegott mühte sich um Freundlichkeit, wusste aber nicht genau, ob das Käseweib so dumm war, wie es sich stellte. «Und wie steht es um das Seelenheil derer, die hier leben?»
    Das Käseweib kniff die Augen zusammen. «Warum fragt Ihr? Was wollt Ihr wissen? Alle zwei Wochen kommt ein Pater aus dem nahen Kloster und nimmt uns die Beichte ab.»
    Pater Fürchtegott blickte in das zugesperrte Gesicht der Frau und von dort auf ihre unter der Brust verschränkten Arme. Von der würde er kein Sterbenswörtchen mehr erfahren. Hier würde es ihm genauso ergehen wie all die Tage vorher. Verschlossene Gesichter, zusammengepresste Münder, verschränkte Arme. Als ob er die Pest hätte!
    Wenn keiner mit ihm sprach, wie sollte er dann jemals seine Mission erfüllen?
    «Eine letzte Frage noch, Weib. Habt Ihr je von Nachzehrern gehört? Man sagt, die Lazarusbrüder machen Jagd auf sie. Sie sollen den Menschen, die von Nachzehrern geplagt werden, helfen, allerdings nicht im Namen der Kirche.»
    Das Weib wurde blass und schlug rasch ein Kreuzzeichen. «Von so etwas spricht man nicht», zischte sie. «Das hieße den Teufel an die Wand malen.»
    «Also habt Ihr von solchen gehört?» Pater Fürchtegott versuchte ein freundliches Lächeln. Aber das Weib hatte sich abgewandt und wühlte in ihren Körben herum, bemüht, beschäftigt zu wirken. Mit hochgerecktem Hintern fragte sie: «Ist sonst noch was?»
    «Nein, nein. Habt vielen Dank. Gottes Segen wünsche ich Euch.»
    Pater Fürchtegott seufzte, dann machte er sich auf den Weg. Wollte er heute noch bis zu einem größeren Ort kommen, musste er sich sputen. Er sah zum Himmel hinauf. Dicke graue Wolken drängten sich aneinander wie die Weiber beim Maientanz und wurden von einem heftigen Wind vorwärtsgetrieben. Bestimmt würde es bald heftig zu regnen beginnen. Kalte, spitze Tropfen, die sich in die Haut bohrten und die Kutte im Nu durchtränkten.
    «Herr, steh mir bei», murmelte der Pater, stieg eine kleine Höhe hinauf und bog in einen Waldweg ein. Einmal noch drehte er sich um. Von dem Weiler war nichts mehr zu sehen. Nur ein paar dünne Rauchsäulen stiegen aus dem Tal auf.
    «Pater?»
    Pater Fürchtegott schrak zusammen und tat einen Satz vorwärts. Dann presste er die Hand auf sein wild schlagendes Herz. «Gott, Kind,
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