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Teufelskreis

Teufelskreis

Titel: Teufelskreis
Autoren: Keith R. A. DeCandido
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etwas anderes als ein Zauberer sein. Seit ich ein kleines Mädchen war, war das die Antwort auf all meine Sehnsüchte und Fragen. Die Erwachsenen sahen mich immer merkwürdig an, wenn ich laut davon träumte. Zauberer waren immer nur Männer gewesen.” Letzteres sagte sie voller Bitterkeit.
    „Das gilt auch für das Soldatentum. Ich wuchs unter neun Brüdern auf, und sie waren alle Soldaten, so wie unser Vater. Ich wollte nicht einsehen, warum ich dafür nicht auch geeignet sein sollte.” Lorena schmunzelte. „Auch ich erntete ein paar höchst merkwürdige Blicke, das dürft Ihr mir getrost glauben.”
    Kurze Zeit später kamen die Getränke, ebenso wie Aeg-wynns Salat. Lorena hob ihren Krug. „Möchtet Ihr einen Schluck nehmen und kosten?”
    Eberschnaps stank fast genauso erbärmlich wie das Tier, nach dem man ihn benannt hatte. Ihre Nase kräuselnd lehnte Aegwynn höflich ab. „Seid mir nicht böse, aber ich hatte keinen Alkohol mehr seit… nun ja, Jahrhunderten. Magier können es sich nicht leisten, die geistige Klarheit zu verlieren. Deshalb habe ich den Gefallen daran schon vor einer Weile verloren.” Sie hielt ihren eigenen Krug hoch, dessen Inhalt ein Saft aus drei verschiedenen Früchten war. „Das ist das Stärkste, was ich mir gönne.”
    „Verstehe.” Lorena nahm einen großen Schluck von ihrem Getränk. „Ich kann vier hiervon trinken, bevor man mir etwas anmerkt. War schon immer hart im Nehmen.” Sie grinste. „Selbst als Neuling bei der Stadtwache von Kul Tiras trank ich die Männer meiner Wachstube stets unter den Tisch. Wir begannen Wettbewerbe mit den anderen Stuben auszutragen, und ich war immer die Geheimwaffe - der Trumpf im Ärmel.” Sie lachte. „Auf diese Weise vervierfachte ich mein Einkommen allein im ersten Jahr. Wetten können sehr lukrativ sein - wenn man auf der Gewinnerseite steht.”
    Aegwynn lächelte, während sie an ihrem Salat zu knabbern begann. Sie stellte fest, dass sie das Gespräch mit dieser Frau genoss. Ein Gefühl, das sie noch vor einem Tag nicht für möglich gehalten hätte. Sie war fest davon überzeugt gewesen, keinen Bedarf mehr an der Gesellschaft anderer Menschen zu haben.
    Der Diener brachte eine Auswahl von Fleischsorten, allesamt knusprig gegart. Aegwynn erkannte nur ein paar davon, aber sie nahm an, dass der Viehbestand auf Kalimdor sich von dem gewohnten genügend unterschied, um das zu erklären. Es war schon Jahre her, seit sie zuletzt Fleisch gegessen hatte, und im Gegensatz zum Aroma, das das Getränk des Oberst verströmte, war der Geruch des Fleisches fast überwältigend. In ihrer Zeit als Magierin war Fleisch ihr ständiger Begleiter gewesen. Die erschöpfenden Anstrengungen beim Zaubern verlangten nach regelmäßiger Proteinzufuhr. Aber seit ihrem selbst gewählten Exil in Kalimdor benötigte sie die Jagd nicht mehr, noch spürte sie das Bedürfnis, Fleisch zu essen. Deshalb war sie Vegetarierin geworden.
    „Darf ich einen Bissen haben?” Zu Aegwynns eigener Überraschung klang ihre Stimme schüchtern - noch so ein Gefühl, dessen sie sich nicht für fähig erachtet hatte.
    Lorena schob ihr den Teller zur Mitte hin entgegen. „Bedient Euch ohne Scheu.”
    Als Aegwynn hungrig ein Stück, das wie ein Schweinswürstchen ausgesehen hatte, kaute, fragte Lorena: „Ich muss es wissen, Magna, wie ist das?”
    „Nennt mich Aegwynn”, warf sie ein, während sie die Wurst verspeiste. „Ich habe aufgehört, Wächter zu sein, als ich die Kraft auf meinen Sohn übertrug. Ich wäre gewiss nicht mehr in der Lage, die Verantwortung zu rechtfertigen, die der Titel erfordert.” Sie schluckte, dann fragte sie: „Wie ist was?”
    „So lange zu leben. Ich bin als Soldat geboren und erzogen worden, und ich wusste von Anfang an, dass ich mein vierzigstes Lebensjahr vermutlich nicht erreiche. Ihr hingegen habt Euer vierzigstes Jahrzehnt erlebt. Sogar das Doppelte davon - ich vermag mir das kaum vorzustellen.”
    Aegwynn gab einen langen Seufzer von sich, und ihr Atem roch jetzt nach Schweinswurst - was immer noch angenehmer war als die Fahne, die der Schnaps erzeugte. „Da gibt es wirklich nicht viel zu erzählen. Wächter ist man rund um die Uhr, es gibt keinen Müßiggang, keine Freizeit - traurigerweise. Dämonische Angriffe waren eine allgegenwärtige Bedrohung, seit ich geboren wurde. Die Attacken wurden zunehmend öffentlicher ausgetragen, was die Dinge ein wenig vereinfachte. Aber als ich darin versagte, die Dämonen aufzuhalten, verbarg ich
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