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Teufels Küche

Teufels Küche

Titel: Teufels Küche
Autoren: Ross Thomas
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meine Schwäger stinkbesoffen, meine Schwägerinnen streiten sich, welches Fernsehprogramm sie nachher ansehen sollen, Maureens alter Herr mosert rum, weil sein gottverdammtes Salisbury Steak zu blutig ist, und plötzlich verkündet Maureen, wir machten jetzt die Runde um den Tisch und jeder soll sagen, wofür er dankbar sein müßte – angefangen bei mir.«
    »Wie bei Norman Rockwell«, sagte Haere.
    »Genau. Nun ja, alle sehen mich an, und ich saß einfach da und sagte eine Weile gar nichts. Und dann sagte ich: ›Für was sollte ich dankbar sein, verdammte Scheiße? Ich habe Krebs.‹ Nun, du hättest ihre Gesichter sehen sollen.« Replogle lachte bei der Erinnerung vor sich hin und sagte dann, als ob er eine seiner Lieblingspointen wiederholte: »Für was sollte ich dankbar sein, verdammte Scheiße? Ich habe Krebs.«
    Danach begann er laut zu lachen und lachte weiter, bis Draper Haere einstimmte. Aus Notwehr, wie er später einsah.

3
    Wenn die Schauspielerin Craigie Grey nicht gewesen wäre, ist es zweifelhaft, ob Morgan Citron, der das vergangene Jahr von den 6000 Dollar gelebt hatte, die er in Paris bei dem Verkauf eines nicht ganz lupenreinen Diamanten von zwei Karat erzielen konnte, je von Draper Haere gefunden und in seine Dienste genommen worden wäre.
    Bis das Geld verbraucht war, hatte Citron das Jahr in einer umgebauten Doppelgarage in Venice, Kalifornien, gewohnt, nur zwei Blocks vom Strand entfernt. Die Miete für den einen großen Raum mit Zementfußboden, Toilette, Spülbecken und der mit Hilfe eines Gartenschlauchs schlampig gebauten Dusche betrug monatlich 300 Dollar. Für die Heizung und zum Kochen gab es eine zweiflammige elektrische Kochplatte.
    Citron verbrachte den größten Teil dieses Jahres in der behaglichen Bibliothek von Santa Monica, wo er alte Reiseberichte, je älter, desto besser, und alles über Kannibalismus las, was er finden konnte, was nicht sehr viel war. Wenn er sich nicht in der Bibliothek aufhielt, befand er sich im allgemeinen unten am Strand, wo er die Menschen beobachtete, aber praktisch mit niemandem sprach und behutsam, sogar sparsam, seine tägliche Flasche billigen Rotwein schlürfte. Er sprach praktisch mit niemandem, weil seine Krankheit weitgehend abgeklungen war. Sie hatte angefangen abzuklingen, kurz nachdem er ins Gefängnis gekommen war, und er hatte oft den Verdacht, daß er für immer geheilt wäre. Die Krankheit, unter der Citron nicht länger litt, war Neugier.
    Citrons einzige Mahlzeit am Tag wurde abends eingenommen und bestand im allgemeinen aus einer großen Schale eines Gerichts, das er in Gedanken immer noch pot au feu nannte und das sporadisch auf der Kochplatte köchelte. Die Zutaten bestanden aus fragwürdigem Gemüse, Fleisch und Huhn, die er mit auf dem Schwarzmarkt erworbenen Gutscheinen auf dem Boys Market in Marina del Rey kaufte. Manchmal kaufte Citron auch Brot vom Vortag. Einmal schätzte er, daß er mit seinen Ausgaben etwas mehr als 1000 Dollar unter der von der Bundesregierung amtlich festgesetzten Armutsgrenze lag, die in diesem Jahr 4680 Dollar betrug.
    Als das Geld für den Diamanten schließlich zu Ende ging und Citron nur noch 32,64 Dollar hatte, packte er das wenige, was er besaß, in den Kofferraum und auf den Rücksitz des einzigen Luxusgegenstands, den er sich erlaubte, einen Toyota Corona von 1969, und fuhr nach Norden zu einer Stelle am Pacific Coast Highway, halbwegs zwischen Malibu und Oxnard. Das war der Ort, an dem die Cadillac People lebten.
    Die Cadillac People, in deren Mitte Citron sich niederließ, wurden so genannt, weil manche von ihnen darin lebten – in alten Cadillacs mit zerbeulten Kotflügeln und Roststellen und Rücksitzen, die vollgestopft waren mit allem, wovon ihre Besitzer sich einfach nicht trennen konnten. Andere Cadillac People lebten in ebenso alten Lincolns und Chrysler Imperials und großen Ford-Kombiwagen und umgebauten Schulbussen und selbstgebastelten Wohnwagen auf Ladeflächen altersschwacher Pickups. Es war in gewisser Weise eine Gemeinde, eine anarchistische Gemeinde vielleicht, die trotzig und illegal am äußersten Rand des Kontinents geparkt hatte, auf Land, das dem Staat gehörte. Gelegentlich tauchte die Highway Patrol auf und scheuchte die Cadillac People halbherzig davon, aber die meisten kamen wieder zurück.
    Manche der Cadillac People tranken, andere nicht. Nahezu alle schliefen in ihren Wagen, und der Ozean diente ihnen als Kombination von Bad und Fernsehgerät. Sie saßen Tag
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