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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Michail Bulgakow
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und röchelnd der Unterabteilungsleiter bei der Stadtreinigung, und auf seiner Brust kniete der Chirurg Bormental und drückte ihm ein weißes Kissen aufs Gesicht.
    Ein Weilchen später ging Doktor Bormental mit völlig fremdem Gesicht zur Wohnungstür und befestigte neben dem Klingelknopf einen Zettel:
    »Wegen Erkrankung des Professors fällt die Sprechstunde heute aus. Es wird gebeten, nicht zu klingeln.«
    Mit einem blanken Taschenmesser durchschnitt er die Klingelleitung, dann betrachtete er im Spiegel sein blutiggekratztes Gesicht und seine zitternden, zerschundenen Hände. Gleich darauf erschien er in der Küchentür und sagte zu den aufmerksam gewordenen Frauen Sina und Darja Petrowna:
    »Der Professor bittet Sie, die Wohnung nicht zu verlassen.«
    »Gut«, antworteten sie verschüchtert.
    »Erlauben Sie mir, die Hintertür abzuschließen und den Schlüssel einzustecken«, sagte Bormental, der im Schatten der Küchentür stand und die Hand vors Gesicht hielt. »Das ist nur für eine Weile und geschieht nicht aus Mißtrauen gegen Sie. Aber wenn jemand kommt, werden Sie womöglich schwach und öffnen, und wir dürfen nicht gestört werden. Wir sind beschäftigt.«
    »Gut«, antworteten die Frauen und wurden blaß.
    Bormental verschloß die Hintertür, die Wohnungstür und die Tür von der Diele zum Korridor, dann verklangen seine Schritte im Untersuchungszimmer.
    Stille senkte sich über die Wohnung und kroch in alle Winkel. Dämmerung breitete sich aus, scheußlich, furchterregend. Finsternis.
    Die Nachbarn auf der anderen Seite des Hofes freilich erzählten später, in den Fenstern des Untersuchungszimmers, die in den Hof blickten, hätten an diesem Abend beim Professor sämtliche Lichter gebrannt, und sie hätten sogar die weiße Haube des Professors gesehen. Es war schwer nachzuprüfen. Allerdings plauderte auch Sina, als alles vorbei war, aus, Bormental und der Professor seien aus dem Untersuchungszimmer gekommen, und später habe der Doktor sie zu Tode erschreckt, indem er, im Arbeitszimmer vor dem Kamin hockend, eigenhändig ein Heft mit blauem Umschlag verbrannte, eines von denen, die die Krankengeschichten der Patienten enthielten! Bormentals Gesicht habe ganz grün ausgesehen und sei kreuz und quer zerkratzt gewesen. Auch der Professor sei an diesem Abend nicht wiederzuerkennen gewesen. Und dann noch, daß … Aber es kann auch sein, daß das unschuldige Mädchen aus der Wohnung im Pretschistenka-Viertel schwindelte …
    Nur eines ist sicher: In der Wohnung herrschte an diesem Abend eine grauenhafte Stille.
     
    Ende der Erzählung

Epilog
    Zehn Tage nach der Schlacht im Untersuchungszimmer schlug zu nächtlicher Stunde in der Wohnung Professor Preobrashenskis in der Obuchow-Gasse schrill die Klingel an. Sina erschrak tödlich über die Stimmen vor der Tür:
    »Kriminalmiliz und Untersuchungsführer. Öffnen Sie bitte.«
    Schritte klapperten und trappelten, man kam herein, und im Lichterglanz des Sprechzimmers mit den frisch verglasten Schränken standen auf einmal eine Menge Leute: zwei Männer in Milizuniform, einer im schwarzen Mantel mit Aktentasche, der schadenfrohe und blasse Vorsitzende Schwonder, der Jüngling, der eine Frau war, der Portier Fjodor, Sina, Darja Petrowna und Doktor Bormental, halb angezogen, die Hand schamhaft vor dem unbeschlipsten Hals.
    Aus der Tür des Arbeitszimmers kam der Professor. Er zeigte sich in dem wohlbekannten himmelblauen Hausmantel, und jedermann konnte sich mit einem Blick überzeugen, daß er sich in der letzten Woche sehr erholt hatte. Ganz der alte, herrisch, tatkräftig und würdevoll, trat er vor seine nächtlichen Besucher und entschuldigte sich, daß er im Schlafrock war.
    »Machen Sie sich nichts daraus, Professor«, entgegnete der Zivilist sehr verlegen, dann druckste er und sagte: »Es ist uns sehr unangenehm, aber wir haben einen Durchsuchungsbefehl für Ihre Wohnung und« – der Mann warf einen Blick auf den Schnurrbart des Professors und schloß – »und, je nach dem Ergebnis, einen Haftbefehl.«
    Der Professor kniff die Augen ein und fragte:
    »Gegen wen, wenn ich fragen darf, und mit welcher Beschuldigung?«
    Der Mann kratzte sich die Wange, entnahm seiner Aktentasche ein Papier und las vor:
    »Gegen Preobrashenski, Bormental, Sinaida Bunina und Darja Petrowna. Wegen Mordes am Unterabteilungsleiter der Stadtreinigung bei der Moskauer Kommunalwirtschaft Polygraf Polygrafowitsch Bellow.«
    Die letzten Worte wurden von Sinas Schluchzen
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