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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Michail Bulgakow
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zwickte, finster mit dem Lastwagen zu seiner Dienststelle gefahren war, empfing Professor Preobrashenski zu ganz ungewöhnlicher Stunde einen früheren Patienten, einen großen beleibten Mann in Militäruniform. Der hatte sich dringlich um dieses Treffen bemüht und seinen Termin erhalten. Er betrat das Arbeitszimmer und schlug vor dem Professor höflich die Hacken zusammen.
    »Haben Sie wieder Schmerzen, mein Bester?« fragte der Professor, der abgemagert war. »Bitte nehmen Sie Platz.«
    »Merci. Nein, Professor«, antwortete der Besucher und stellte den Helm auf die Schreibtischecke. »Ich bin Ihnen sehr verbunden … Hm … ich komme in einer anderen Angelegenheit zu Ihnen, Filipp Filippowitsch. Da ich große Achtung vor Ihnen habe … hm … möchte ich Sie warnen. Völliger Blödsinn. Der Mann ist ein Spitzbube.«
    Der Patient griff in seine Aktentasche und holte ein Papier hervor. »Zum Glück hat man es mir gleich gemeldet.«
    Der Professor setzte den Zwicker oberhalb der Brille auf die Nase und begann zu lesen. Er murmelte den Text vor sich hin und wechselte alle Augenblicke die Farbe. »… und gedroht, den Vorsitzenden des Hauskomitees, den Genossen Schwonder, zu erschießen, woraus hervorgeht, daß er eine Schußwaffe besitzen muß. Er führt konterrevolutionäre Reden, und er hat sogar seiner Sozial-Dienerin Sinaida Prokofjewna Bunina befohlen, Engels im Ofen zu verbrennen, denn er ist ein eindeutiger Menschewik mitsamt seinem Assistenten Iwan Arnoldowitsch Bormental, der heimlich und unangemeldet in seiner Wohnung lebt. Die Unterschrift des Leiters der Unterabteilung bei der Stadtreinigung P. P. Bellow wird hiermit beglaubigt. Vorsitzender des Hauskomitees Schwonder. Sekretär Pestruchin.«
    »Darf ich das behalten?« fragte der Professor mit Flecken im Gesicht. »Oder brauchen Sie das vielleicht, damit der Fall seinen gesetzlichen Gang geht?«
    »Aber erlauben Sie, Professor.« Der Patient blähte beleidigt die Nasenflügel. »Sie haben ja wirklich eine sehr verächtliche Meinung von uns. Ich …« Er warf sich in die Brust wie ein Truthahn.
    »Verzeihung, Verzeihung, mein Bester!« murmelte der Professor. »Verzeihen Sie, ich wollte Sie wahrhaftig nicht beleidigen.«
    »Wir verstehen uns darauf, Papiere zu lesen, Filipp Filippowitsch.«
    »Seien Sie mir nicht böse, mein Bester, aber er hat mir die Nerven ruiniert …«
    »Ich glaub’s Ihnen«, sagte der Patient beruhigt, »aber der Kerl ist doch Abschaum! Ich würde gern einen Blick auf ihn werfen. In Moskau erzählt man sich die reinsten Legenden über Sie …«
    Der Professor machte eine resignierte Handbewegung. Dem Patienten fiel auf, daß sich der Professor gebückt hielt und in letzter Zeit wohl sogar noch mehr ergraut war.
     
    Das Verbrechen reifte und fiel wie ein Apfel vom Baum, wie das so zu gehen pflegt. Mit beklommenem Herzen kehrte Bellow im Lastwagen zurück. Die Stimme des Professors bat ihn ins Untersuchungszimmer. Bellow trat verwundert ein, blickte mit undeutlicher Angst in die beiden Pistolenmündungen in Bormentals Gesicht und dann zum Professor. Der Assistent war von einer Rauchwolke umgeben, und seine linke Hand mit der Papirossa bebte auf der blanken Armlehne des Untersuchungsstuhls.
    Der Professor sagte mit unheildrohender Ruhe:
    »Sie nehmen jetzt Ihre Sachen, Hose, Mantel, alles, was Sie brauchen, und verlassen die Wohnung!«
    »Wieso denn das?« fragte Bellow aufrichtig verwundert.
    »Sie verlassen die Wohnung, heute noch«, wiederholte der Professor monoton und betrachtete mit schmalen Augen seine Fingernägel.
    Ein böser Geist nistete sich in Bellow ein; offenbar lauerte schon der Tod auf ihn, und das Verhängnis stand hinter seinem Rücken. Da stürzte er sich selber dem Unausweichlichen in die Arme und kläffte böse und abgerissen:
    »Was soll denn das! Sie meinen wohl, ich kann mein Recht gegen Sie nicht durchsetzen? Ich habe hier Anspruch auf sechzehn Quadratarschin, und ich bleibe.«
    »Verschwinden Sie aus der Wohnung«, flüsterte der Professor erstickt.
    Bellow selbst beschwor seinen Untergang. Er hob die linke Hand und zeigte dem Professor mit abgeknabbertem Fingernagel die Feige, die unerträglich nach Katzen roch. Dann zog er mit der rechten einen Revolver aus der Tasche und richtete ihn auf den gefährlichen Bormental. Dem fiel die Papirossa herunter wie eine Sternschnuppe, und gleich darauf sprang der Professor voller Entsetzen über Glasscherben vom Schrank zur Liege. Darauf lag flach ausgestreckt
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