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Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)

Titel: Teufeliaden: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Michail Bulgakow
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Petrowna. Ihr Gesicht glühte kriegerisch. Der Arzt und der Professor waren völlig geblendet von dem Reichtum ihres mächtigen und, wie beide vor Angst zu sehen glaubten, splitternackten Körpers. In ihren starken Armen schleifte Darja Petrowna etwas, und dieses Etwas sträubte sich, setzte sich aufs Hinterteil, und die mit schwarzem Flaum bedeckten kurzen Beine strampelten auf dem Parkett. Das Etwas war natürlich Bellow, völlig verstört, noch immer betrunken, zerrauft und nur im Unterhemd.
    Darja Petrowna, nackt und grandios, schüttelte Bellow wie einen Sack Kartoffeln und sprach dazu die Worte:
    »Sehen Sie sich das an, Herr Professor, unser Telegraf Telegrafowitsch hat uns einen Besuch gemacht. Ich war ja schon mal verheiratet, aber Sina ist ein unschuldiges Mädchen. Zum Glück bin ich aufgewacht.«
    Nachdem sie diese Rede beendet hatte, verfiel sie in einen Zustand der Scham, schrie auf, hielt die Hände vor die Brust und lief davon.
    »Darja Petrowna, entschuldigen Sie um Gottes willen«, rief ihr der Professor, sich besinnend, hinterher.
    Bormental krempelte die Hemdsärmel noch höher und ging auf Bellow zu. Der Professor sah ihm in die Augen und erschrak.
    »Was machen Sie, Doktor! Ich verbiete …«
    Bormental packte mit der rechten Hand Bellow am Kragen und schüttelte ihn dermaßen, daß das Leinenhemd hinten aufriß und vorn am Hals ein Knopf absprang.
    Der Professor warf sich in das Getümmel, um den schwächlichen Bellow den nervigen Chirurgenfäusten zu entreißen.
    »Sie dürfen mich nicht schlagen!« schrie Bellow halb erstickt, setzte sich auf den Fußboden und wurde nüchtern.
    »Doktor!« schrie der Professor.
    Bormental kam ein wenig zu sich und ließ Bellow los, der sogleich zu quengeln begann.
    »Na schön«, zischte Bormental, »warten wir bis zum Morgen. Wenn er nüchtern ist, veranstalte ich ihm ein Benefiz.«
    Er packte Bellow unter den Achseln und schleifte ihn ins Sprechzimmer zum Schlafen. Bellow wollte um sich treten, aber die Beine gehorchten ihm nicht.
    Der Professor stand breitbeinig da, so daß sein himmelblauer Hausmantel klaffte, hob Arme und Augen zur Deckenlampe im Korridor und sprach:
    »So was …«

9
    Das Benefiz, das Doktor Bormental Bellow in Aussicht gestellt hatte, blieb am nächsten Morgen aus, weil Bellow aus dem Haus verschwunden war. Bormental geriet in wütende Verzweiflung, schalt sich einen Esel, weil er den Schlüssel der Wohnungstür nicht eingesteckt hatte, schrie, das sei unverzeihlich, und schloß mit dem Wunsch, Bellow möge unter einen Autobus geraten. Der Professor saß im Arbeitszimmer, die Finger in den Haaren vergraben, und sagte:
    »Ich kann mir vorstellen, was auf der Straße los sein wird … Ich kann es mir vorstellen. Von Sevilla bis Granada … Mein Gott.«
    »Er kann noch im Hauskomitee sein«, tobte Bormental und lief hinaus.
    Im Hauskomitee beschimpfte er den Vorsitzenden Schwonder dermaßen, daß der sich hinsetzte und eine Anzeige an das Volksgericht des Stadtbezirks Chamowniki schrieb. Dabei schrieb er, er sei nicht der Aufpasser von Professor Preobrashenskis Pflegling, zumal sich dieser Pflegling Bellow erst gestern als Spitzbube erwiesen hatte, indem er sich vom Hauskomitee, vorgeblich zum Ankauf von Lehrbüchern, sieben Rubel hatte geben lassen.
    Fjodor, der damit drei Rubel verdiente, durchsuchte das ganze Haus vom Dach bis zum Keller. Nirgends waren Spuren von Bellow zu finden.
    Nur eines stellte sich heraus: Bellow hatte sich in aller Frühe entfernt, bekleidet mit Schiebermütze, Schal und Mantel sowie unter Mitnahme einer Flasche Ebereschenschnaps aus dem Büfett, der Handschuhe Doktor Bormentals und aller seiner Papiere. Darja Petrowna und Sina zeigten unverhohlen stürmische Freude und äußerten die Hoffnung, Bellow werde nicht zurückkehren. Von Darja Petrowna hatte sich Bellow tags zuvor drei Rubel fünfzig Kopeken gepumpt.
    »Geschieht Ihnen recht!« knurrte der Professor und schüttelte die Fäuste.
    Den ganzen Tag über klingelte das Telephon, auch am nächsten Tag. Die Ärzte empfingen eine ungewöhnliche Zahl von Patienten. Am dritten Tag erhob sich im Arbeitszimmer dringlich die Frage, ob man nicht die Miliz verständigen müsse, damit sie Bellow in dem Meer Moskau suche.
    Kaum war das Wort »Miliz« gefallen, da wurde die wohlige Stille der Obuchow-Gasse vom Kläffen eines Lastwagens zerschnitten, das die Fenster klirren ließ. Sodann ertönte ein selbstsicheres Klingeln, und Bellow stand in der Diele. Der
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