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Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Titel: Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
Autoren: Lara Wolf
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Cop geben wollte und hätte ihm gerne einen Tritt vors Schienbein verpasst. Oder auch woanders hin. „Willst du übrigens auch von mir wissen, wenn mir was auffällt oder zu denken gibt? Immerhin gehöre ich ja fast zur Familie.“
    „Na klar, das weißt du doch.“
    „Gut – wie wäre es dann damit: Wenn sich jemand derart mit Tabletten voll gepumpt hat, wie es bei Patrick ja den Anschein hat, und ein Suizid angenommen wird, wie erklärst du dir dann den Ausflug auf den Balkon? Wollte er noch ein bisschen frische Luft schnappen und hat dabei das Gleichgewicht verloren und ist über die Brüstung gestürzt?“
    Kollegin Kellner räusperte sich. „Diese Fragen prüfen wir gerade“, bemerkte sie in gestelztem Tonfall.
    Tessy antwortete mit einem Lächeln, das ziemlich genau an der Oberlippe endete. Oder auch knapp darunter. Hanter kratzte sich am Hinterkopf und öffnete die Haustür. „Ja, so ist es. Wir wissen noch keine Einzelheiten.“
    Tessy nickte. „Na schön. Bis dann also.“
    Als die Tür ins Schloss gefallen war, lehnte sie sich mit dem Rücken dagegen und verharrte einen Moment regungslos. Vielleicht sollte ich mich raushalten, dachte sie. Mich um Kerstin kümmern, ganz freundschaftlich, den Rest den Behörden überlassen und mich nicht in deren Job mischen. Vielleicht hat Patrick sich ganz dramatisch verändert oder war krank gewesen. Depressionen, die keiner bemerkte. So was gab es. Natürlich. Alles war möglich. Von nebenan drang Geschirrklappern zu ihr. Dann hörte sie Kerstin mit den Kindern sprechen. Tessy stieß sich von der Tür ab und ging zurück in die Küche.
     
    Als sie abends nach Hause kam, hatte sie nur noch einen Wunsch: abschalten und in einen tiefen, traumlosen Schlaf fallen. Ihr Handy klingelte, während sie die Jacke abstreifte und überlegte, ob sie einen Absacker nehmen sollte. Verdient hatte sie ihn allemal. Gertrud stand auf dem Display. Tessy schüttelte den Kopf, stellte aber die Verbindung her.
    „Heute Abend nicht“, sagte sie statt einer Begrüßung und erläuterte ihrer Sex-Gespielin in aller Kürze, was passiert war. „Kein guter Zeitpunkt für unsere speziellen Vergnügungen“, fügte sie hinzu.
    „Das sehe ich ganz anders“, erwiderte Gertrud leise. „Du brauchst dringend Aufmunterung.“
    Tessy lächelte. „Ich weiß, was du meinst, aber …“
    „Eine halbe Stunde, und ich verschwinde wieder. Mehr Zeit habe ich ohnehin nicht. Und das hübsche neue Spielzeug heben wir uns für einen anderen Zeitpunkt auf. Außerdem können wir ja auch reden, oder ich massiere dir nur den Nacken …“
    Tessy lachte laut auf – zu ihrer eigenen Verblüffung. „Als du mir das letzte Mal nur den Nacken massieren wolltest, haben wir nach sieben Minuten auf dem Teppich gelegen.“
    „Ich weiß. War das so schlimm?“
    „Nein, aber …“
    Gertrud traf zwanzig Minuten später ein. Die athletisch gebaute 50jährige sah auch bei Tageslicht umwerfend und verführerisch aus, fand Tessy. Sie trug ihr weizenblondes Haar raspelkurz und bevorzugte Lederklamotten. Ihren Augen schimmerten in einem unergründlichen Blau-Grau. Gertrud leitete in Berlin-Mitte einen gut gehenden Motorradladen für Frauen und hatte eine tiefe Bariton-Stimme, die Tessy regelmäßig Schauer über den Rücken jagte. Und nicht nur ihr. Sie hatten sich vor gut einem halben Jahr kennen gelernt, als Tessy eine Reportage über Frauen in typischen Männerberufen geschrieben hatte. Gertrud war mit ihr durch die Werkstatt gegangen und hatte plötzlich ganz dicht hinter ihr gestanden. Als Tessy sich umdrehte, küsste Gertrud sie, bis sie keine Luft mehr bekam. Keine zwei Stunden später waren sie im Bett gelandet und hatten es in den nächsten Stunden nur verlassen, um ins Bad zu gehen oder eine neue Flasche Prosecco zu holen.
    Sie setzten sich im Wohnzimmer auf das abgewetzte Sofa und tranken ein Glas Wein, dann zog Gertrud Tessy auf ihren Schoß und massierte ihr mit kraftvollen Bewegungen Nacken und Rücken. Beruhigend und entspannend wirkte das nicht, ganz im Gegenteil. Hatte sie etwas anderes erwartet? Nicht wirklich. Tessy umfasste Gertruds Gesicht mit beiden Händen. „Küss mich“, forderte sie leise.
    „Ist das alles?“ Gertrud lächelte.
    „Hm, mal sehen.“
    Gertruds Zungenspitze drang zwischen ihre Lippen, und wenig später gelang es Tessy, die Bilder und Eindrücke dieses fürchterlichen Tages auszuschalten, zumindest für den Augenblick. Sie überließ sich Gertruds Händen, die ihr das Sweatshirt
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