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Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1

Titel: Tessy und die Hörigkeit der Malerin - 1
Autoren: Lara Wolf
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zu setzen hatte. Rob gab keinen Mucks mehr von sich.
    Simon blieb einen Augenblick neben ihm sitzen, dann stand er abrupt auf, öffnete den Kofferraum und holte das Besteck aus einem Innenfach der Werkzeugtasche. Die Spritze war gut gefüllt. Er setzte sie an der linken Armbeuge an, wo es schon mehrere Einstichstellen gab. Für Philipp, dachte er und schämte sich für diesen melodramatischen Gedanken, obwohl er wusste, dass er der Wahrheit entsprach.
    Er stach die Spitze unter die Haut und traf die Vene. Es würde schnell gehen. Und schmerzlos. Auf einem bunten Heroincocktail hinüber gleiten in einen endlos langen Traum – das war nicht der übelste Tod. Kein Blut, kaum Spuren. Alles konnte weitergehen wie bisher. Wie einfach es war, einen Menschen zu beseitigen. Frühestens morgen Vormittag würde einem aufmerksamen Spaziergänger auffallen, dass der Junge nicht schlief, sondern tot war, aber die näheren Umstände seines Todes würden kaum jemanden interessieren und wenn doch, dann waren Rückschlüsse auf Simon so gut wie unmöglich. Ein Junkie, der sich eine Überdosis verpasst hatte, warum auch immer – so einfach war das.
    Simon sah nicht hin, als das Herz stehen blieb und die Atmung aussetzte, dennoch spürte er, als es vorbei war. So wie damals, als er seinen Hund hatte einschläfern lassen müssen, nachdem der seinen Vater gebissen hatte. Dabei hatte der Alte es gar nicht besser verdient gehabt. Simon bugsierte Rob draußen auf eine Bank, und er sah aus wie einer von Tausenden in dieser Stadt, die kein Zuhause hatten und ihren Rausch ausschliefen. Egal wo. Trostlos. Verwahrlost.
    Simon hasste verwahrloste Menschen. Und er hasste Verlierer.

3
     
    Paula wirkte wie eine Frau um die Vierzig, für die Mode- und Schlankheitstrends noch nie eine große Rolle gespielt hatten und die in den letzten Jahren an dem einen oder anderen Tiefpunkt ihres Lebens angelangt war. Um dort eine Zeitlang zu verweilen. Der letzte Friseurbesuch lag schon eine ganze Weile zurück, Make-up war auch nicht ihr Ding, und ihr Blick war sehr direkt. Wie hatte Gertrud noch kurz erläutert? – Paula gab wenig auf die Meinung anderer Leute und lebte gern nach dem Motto: Wer mich nicht mag, ist selber schuld. Sie war Tessy auf den ersten Blick sympathisch.
    Paula hatte anzüglich eine Augenbraue gehoben, als Gertrud und Tessy nach einer kurzen Vorstellungsrunde mit nassen Haaren und erhitzten Wangen auf dem Sofa in der Sitzecke des Büros Platz genommen hatten.
    „Okay, Mädels“, sagte Gertrud und wies einladend auf ein Tablett mit Getränken und Knabbereien. „Bedient euch erstmal. Wir können ja später noch eine Kleinigkeit essen gehen.“
    Tessy nickte sofort zustimmend. Sex förderte ihren ohnehin guten Appetit beträchtlich. Sie aß eine Handvoll Nüsse und sah Paula dabei an.
    „Gertrud hat schon einige Andeutungen gemacht – dir ist dein letzter Job Knall auf Fall gekündigt worden, und dein Ex-Chef und seine Geschäfte geben dir zu denken?“, fasste sie zusammen.
    Paula verzog den Mund und bediente sich bei den Chips. „Kann man so sagen.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin zwar keine gelernte Buchhalterin und war auch nur ein gutes halbes Jahr bei Sommer, hab aber schon viele Bürojobs gemacht und kenne mich ganz gut aus. Blöd bin ich auch nicht. Mir ist aufgefallen, dass bei einigen Rechnungen etwas faul oder zumindest merkwürdig war …“
    „Geht das genauer?“
    Paula nickte bedächtig. „Philipp Sommer ist ein außergewöhnlich pfiffiger und erfolgreicher Geschäftsmann, aber die Preise, die er zum Teil mit seinen Antiquitäten erzielt, sind verblüffend und zu schön, um wahr zu sein.“
    „Und das ist merkwürdig?“
    „Wenn man mit anderen Antiquitätenhändlern spricht: ja, durchaus. Einige von Sommers Konkurrenten wurmt es ziemlich, dass Sommers Preise häufig deutlich über dem Niveau der anderen Händler liegen und er trotzdem eine treue Kundschaft hat. Wenn er mit Dumping-Preisen antreten würde: okay, aber so …“
    „Woher wissen die anderen Händler eigentlich so genau über Sommers Geschäfte Bescheid?“, fragte Tessy.
    „Na ja – man hat natürlich ein Auge auf die Konkurrenz. Man kennt sich von Auktionen, fragt mal unter anderem Namen nach, schnüffelt ein bisschen, um es beim Namen zu nennen, und so weiter. Mit Sommers Konkurrent aus Wilmersdorf bin vor einigen Tagen, als ich mich bei ihm nach einem Job erkundigte und mein Leid klagte, ins Gespräch gekommen. Thomas Gärtner erzählte
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