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Terra Madre

Terra Madre

Titel: Terra Madre
Autoren: Carlo Petrini
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Terra Madre zeigt, dass die lokalen Wirtschaften stärker werden und größere Bedeutung erlangen, wenn sie sich als Netzwerk strukturieren. Sie werden so zu Knotenpunkten, die miteinander kommunizieren und sich austauschen. Sie ermöglichen den Menschen, sich zu bewegen.
    Ich möchte hier ein Beispiel für das anführen, was das Netzwerk im Kleinen mittels Austausch, Reisen und gegenseitiger Hilfe bewirken kann. In Mauretanien gibt es das Slow-Food-Presidio des Meeräschenrogens der Imraguen-Frauen (sie sind natürlich auch ein Lebensmittelbündnis von Terra Madre), entstanden 2006, um dieses Volk von Fischer-Nomaden bei der Produktion von bottarga (gepresstem Meeräschenrogen) zu unterstützen. Die Nomaden folgen den großen Fischschwärmen der Goldmeeräschen und der Umberfische entlang des Flachwasser- und Wattgebiets Banc d’Arguin, einem sehr fischreichen Abschnitt des Atlantiks. Ein hier 1976 geschaffener Nationalpark soll das außergewöhnliche natürliche Ambiente des Meeres und der Lagune schützen und bewahren.
    Aus den Eiern der Meeräschen stellen die Frauen die traditionelle bottarga her. Als das Presidio entstand, wurde unter zweifelhaften hygienischen Verhältnissen produziert, vor allem auf behelfsmäßigen Trockengestellen an Land. Zwischenhändler kauften den Rogen zu lächerlich niedrigen Preise auf.
    Durch die Slow-Food-Stiftung, die Mittel für Projekte zum Schutz der Artenvielfalt sammelt, konnten die Fischer der Kooperative Orbetello Pesca Lagunare, ein historisches Slow-Food-Presidio für bottarga im toskanischen Orbetello, für eine Zusammenarbeit gewonnen werden. Gemeinsam mit dem Lebensmitteltechniker Augusto Cattaneo organisierten sie Fortbildungskurse für die 40 Imraguen-Frauen und halfen ihnen bei der Verbesserung ihrer Produktionstechniken. Mit Unterstützung zunächst der Region Toskana, später auch der Region Piemont wurde anschließend die Anmietung und Einrichtung einer regelgerechten Produktionswerkstatt finanziert, zu der auch die Ausrüstung zur Vakuumverpackung der bottarga gehörte. Das chemische Labor der Handelskammer von Turin überwacht die Reinheit und Gesundheitsverträglichkeit des Produkts regelmäßig und leistet so ebenfalls einen wichtigen Beitrag.
    Bei den verschiedenen Veranstaltungen von Slow Fish in Genua, beim Salone del Gusto und bei Terra Madre präsentierten die Frauen des Presidios ihre qualitativ hervorragende bottarga, die korrekt abgepackt und etikettiert war.
    Das nächste Ziel der Imraguen-Frauen ist der Ankauf eines Stücks Land für den Bau eines eigenen Labors durch die Kooperative, außerdem sollen Ausbildungsmöglichkeiten für neue Produzentinnen und die Gemeinschaft der Fischer geschaffen werden, um die ganze Nahrungsmittelkette Fisch kontrollieren zu können. Langfristiges Ziel ist die Anlage einer Saline in Nouadhibou, um eine völlig in der Hand des örtlichen Bündnisses liegende garantierte Produktionskette für das Nahrungsmittel Fisch aufzubauen. Für die Verwirklichung dieses Projekts reisten Vertreter der beiden Lebensmittelbündnisse in das jeweils andere Land, also nach Italien und Mauretanien – die »Stärkeren« halfen den »Schwächeren«. Die Institutionen sprangen bei der Finanzierung ein (im Übrigen geht es hier um nicht sehr hohe Beträge; im Jahr 2008 wurden im Ganzen wenig mehr als 3.000 Euro für das Projekt ausgegeben). Slow Food setzte über seine Stiftung für Biodiversität den Apparat in Bewegung und förderte den Austausch. Diese Initiative zielte aber nicht nur rein technisch auf die Verbesserung eines Produkts unter Beibehaltung seiner ursprünglichen Eigenschaften ab, sondern eröffnete den mauretanischen Frauen wie auch den toskanischen Fischern eine Gelegenheit, miteinander zu kommunizieren, Freundschaften zu schließen und neue Orte zu sehen.
    Ein Netzwerk muss den Informationsfluss garantieren. Es muss sicherstellen, dass dieser neue nachhaltige Handel, von dem ich gesprochen habe, in die Praxis umgesetzt werden kann und dass Menschen das garantierte Recht haben zu reisen. Viele der Werte und Vorteile des lokalen Wirtschaftens würden ohne das Netzwerk endgültig verloren gehen.
    Kontakte zu knüpfen und sich wechselseitig kennenzulernen erhöht den Wert der Vielfalt, schafft Identität. Wenn man die anderen kennt, kann man auf sich selbst stolz sein und Hilfe leisten, aber auch selbst erhalten. Ein lokales Wirtschaftssystem kann sehr begrenzt erscheinen, doch die Erfahrung von Terra Madre zeigt, dass
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