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Terra Madre

Terra Madre

Titel: Terra Madre
Autoren: Carlo Petrini
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liebsten mit ihren Großeltern kochen. Sechs örtliche Schulen veranstalten Kunstwettbewerbe, bei denen die Kinder und Jugendlichen ein Bild zum Thema »Kochen mit der Oma« zeichnen oder malen. Großmütter erzählen von ihrer Kindheit und erklären ihre Rezepte. In Irland will man dies nun monatlich wiederholen, außerdem wird ein »Internationaler Großmuttertag« geplant. [4]
    In Italien werden die Großeltern beim Schulgartenprojekt »Orto in Condotta« [5] eingeladen, Initiativen in den Schulen zu übernehmen und den Kindern beizubringen, wie man einen Garten anlegt. Generationenübergreifend angelegt sind auch Experimente wie das Projekt »Storie di Terra e Rezdore« [6] in Modena, bei dem Frauen in Kursen, Videos und öffentlichen Veranstaltungen zeigen, wie man die von Hand ausgerollte traditionelle Modeneser Pasta herstellt, von Tagliatelle bis Tortellini. Dieses handwerkliche Können würde sonst aussterben – wie der einzigartige Geschmack, der das Endprodukt auszeichnet.
    Beim Thema der generationenübergreifenden Beziehungen muss dennoch unbedingt mehr geschehen. Das beginnt bei einem erneuerten Respekt für die Alten. Sie sollten als dazugehörig in das System der lokalen Wirtschaft einbezogen werden, weil sie noch viel geben können. Der gegenwärtige Augenblick ist heikel. Die heranwachsende Generation ist die erste, deren kulturelle Nabelschnur zu ihren Großeltern abgeschnitten wurde. Wenn ihre Großeltern einmal sterben, sind diese jungen Leute, die dabei sind, die Führung der Gesellschaft zu übernehmen, in der Gefahr, sich mehr verloren zu fühlen denn je – in vieler Hinsicht.
    Ganzheitliche Sicht
    Ich habe dargelegt, dass das lokale Wirtschaften gegenüber dem heute dominierenden Produktionssystem vielfältige Vorteile hat. Diese Vorteile gehen über das System der Nahrungsmittel im engeren Sinn hinaus, sind aber untrennbar mit ihm verbunden. Die lokale Dimension muss auf systemische und ganzheitliche Weise verstanden werden, als Ganzes, das den wissenden Händen der lokalen Bündnisse anvertraut ist. Sie trennen nicht, sondern tendieren zur Einheit und haben eine Gesamtsicht auf die Problemfelder. Sie praktizieren eine neue Gastronomie aus der Sicht der Produktion mit innovativen Verteilungssystemen, in denen die neue Figur des Koproduzenten den Konsumenten ersetzt. Sie handeln nachhaltig, auch mit dezentralen und effizienten Formen der Energiegewinnung.
    Die lokalen Wirtschaftssysteme gründen sich auf Ernährung, die zum Zentrum eines neuen Humanismus, einer neuen Renaissance wird. Auf diese Weise eignen wir uns unsere Orte wieder an und finden zu uns selbst zurück. In dieser Dimension zählen die versteckten Verbindungen: Auch die Musik, die Architektur, die Sprachen und all die anderen kulturellen und identitätsstiftenden Ausdrucksformen werden wichtig und beachtenswert. Sie sind aktiver Teil eines Systems, das aufbaut und nicht zerstört. Diese Vision überwindet die Barrieren, sie ist interdisziplinär. Vor allem aber ist ihr bewusst, dass Energie, die man zwangsläufig während eines kreativen oder produktiven Prozesses verbraucht, für Lebensfreude eingesetzt werden muss, ohne das Gleichgewicht oder sogar die Existenz unserer Erde zu gefährden.
    Die Bündnisse von Terra Madre haben diese ganzheitliche Sicht klar vor Augen. Sie wundern sich nicht, wenn wir sie einladen, ihre traditionelle Musik zu spielen, oder sie bitten, uns ihre Dialekte besser verstehen zu lassen, um die sprachliche Vielfalt der Welt zu erhalten. Die Bündnisse von Terra Madre verhalten sich so, weil sie das schon immer taten. Sie spiegeln eine alte Produktionsweise wider, die erneut von großer Aktualität ist. Sie haben verstanden, dass man dem industriell-konsumistischen Weg nicht folgen sollte, und Beispiele in ihrer Vergangenheit und in ihrer Erinnerung gesucht, um sich erneut an die Gegebenheiten ihrer Umgebung anzupassen. Eine lokale Wirtschaft ist keine Utopie. Sie ist bereits etwas Konkretes, auf dem und mit dem man weiterarbeiten kann. Sie ist das vielseitigste Instrument, das uns zur Verfügung steht, um die Krisen zu meistern und ein System für bessere Lebensmittel zu errichten, das Glück in die Welt ausstrahlt.
    Das Netzwerk
    Die Bündnisse sind nicht isoliert, die lokalen Wirtschaftssysteme nicht in sich abgeschlossen. Ihre Öffnung ist eine grundlegende Notwendigkeit, sonst würde alles zusammenbrechen und die Idee der lokalen Wirtschaft nur auf dem Papier funktionieren. Die Erfahrung von
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