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Teranesia

Titel: Teranesia
Autoren: Greg Egan
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stets zu seinem Besten handelten. Wenn sie eine Entscheidung getroffen hatten, konnte er nichts mehr unternehmen, um sie aufzuhalten. Es war wie eine Ad-hoc-Religion: Die Wir-wollen-ja-nur-dein- Bestes-Kirche. Sie schrieben alle heiligen Gebote selbst nieder und jammerten dann, dass ihnen keine andere Wahl blieb, als sich daran zu halten.
    »Verräter«, murmelte er. Das hier war seine Insel; sie hatten es nur ihm zu verdanken, dass sie hier überleben konnten. Wenn er die Insel verließ, würden sie innerhalb einer Woche sterben – durch die Geschöpfe. Madhusree könnte versuchen, sie zu beschützen, aber man konnte sich niemals sicher sein, auf welcher Seite sie wirklich stand. Prabir stellte sich die Besatzung einer Fähre oder eines Versorgungsschiffs vor, die nach einem verpassten Rendezvous und mehrtägiger Funkstille vorsichtig den Kampung betrat und dort niemanden außer Madhusree vorfand. Wie sie mit fettverschmiertem Grinsen herumwatschelte, umgeben von ungespülten Schüsseln mit den Überresten von Mahlzeiten aus gebratenen Schmetterlingen, verfeinert mit einem mysteriösen, süßlich duftenden Fleisch.
    Prabir lief weiter, während seine Lippen stumme Flüche bildeten. Nur allmählich wurde ihm bewusst, dass der Boden immer steiler anstieg und immer mehr dunkle Felsen durch den Erdboden stießen. Ohne dass er darüber nachgedacht hatte, war er auf dem Pfad gelandet, der ins Zentrum der Insel führte. Anders als der Weg vom Strand zum Kampung – der von den Kai-Leuten angelegt worden war und von Prabir instand gehalten wurde – war dieser Pfad ein reines Zufallsprodukt, das sich aus der natürlichen Bodenbeschaffenheit und den gegebenen Abständen zwischen Bäumen und Farnen ergab.
    Es war Schwerstarbeit, den Anstieg zu bewältigen, aber er befand sich im Schatten des Waldes, und der Schweiß, der ihm von den Ellbogen tropfte oder an den Beinen hinablief, zeigte leicht kühlende Wirkung. Blauschwänzige Eidechsen flüchteten hektisch, wenn er ihnen zu nahe kam, was er nur beiläufig registrierte. Aber es gab auch rote Laufkäfer, die so groß wie sein Daumen waren und sich auf einem umgestürzten Baumstamm tummelten, und überall schwarze Ameisen. Wenn Prabir für die Ameisen nicht genauso unangenehm gerochen hätte wie die Tigerkäfer für ihn, wäre er nach wenigen Minuten von Bissen übersät gewesen. Er hielt sich nach Möglichkeit an nackten Erdboden, doch wenn er so nicht weiterkam, lief er lieber über bewachsene Flächen statt über vulkanisches Gestein – um seine Fußsohlen zu schonen. Der Boden war mit kleinen blauen Blumen, olivgrünen Kriechpflanzen oder niedrigen Farnen mit hängenden Wedeln bewachsen. Manche der Pflanzen waren äußerst zäh, aber nur wenige hatten Dornen. Das ergab Sinn, denn hier gab es nichts, das versuchen könnte, sie abzugrasen.
    Der Boden wurde zunehmend steiler und felsiger, und der Wald lichtete sich. Immer mehr Sonnenlicht drang zwischen den Bäumen hindurch, und der Bodenbewuchs wurde trockener und rauer. Prabir wünschte sich, er hätte einen Hut mitgenommen, um sein Gesicht zu schützen, und vielleicht wären sogar Schuhe angebracht gewesen. Der dunkle Fels war größtenteils durch Verwitterung eingeebnet, aber stellenweise gab es noch scharfe Kanten.
    Die Bäume blieben zurück. Dann kletterte er den nackten Obsidian des Vulkankegels hinauf. Nach nur wenigen Minuten unter freiem Himmel war seine Haut getrocknet. Er spürte zwar kleine Schweißausbrüche auf den Unterarmen, sie waren jedoch zu unergiebig, um sichtbare Tropfen zu bilden, weil sie sofort verdunsteten. Im Wald waren seine Shorts klitschnass vor Schweiß gewesen; nun war der Stoff hart wie Pappe geworden und sonderte einen seltsamen frischen Geruch ab. Bevor er mit Madhusree zum Strand aufgebrochen war, hatte er sich mit Sonnenschutz eingesprüht; nun hoffte er, dass er im Wasser nicht zu viel davon verloren hatte. Man hätte seine Moskito-Kapsel um eine UV-absorbierende Substanz ergänzen sollen, um ihm die Mühe zu ersparen, das Zeug ständig von außen auftragen zu müssen.
    Die Revolution wird kommen.
    Der Himmel war ein gebleichtes Weiß; wenn er zur Sonne aufblickte, war es, als würde man in einen Glutofen starren. Die Augen zu schließen war sinnlos, er musste die Helligkeit mit dem Unterarm ausblenden. Doch als er hoch genug gestiegen war, um über die höchsten Bäume des Waldes blicken zu können, stieß Prabir einen krächzenden Begeisterungsruf aus. Das Meer breitete sich unter
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