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Teranesia

Titel: Teranesia
Autoren: Greg Egan
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Grau.
    Er legte den Kopf in den Nacken und trank den Regen, während er flüsterte: »Teranesia. Teranesia.«
    *
    Prabir war gegen drei wieder im Kampung. Niemand hatte ihn vermisst. Wenn er keine Schule hatte, konnte er gehen, wohin er wollte. Wenn er in Schwierigkeiten geriet, konnte er mit seiner Uhr Hilfe rufen. Er fühlte sich erschöpft und leicht schwindlig, also ging er direkt zu seiner Hütte und ließ sich in die Hängematte fallen.
    Sein Vater weckte ihn, als er im grauen Licht der Abenddämmerung neben der Hängematte stand und leise seinen Namen sprach. Prabir schreckte hoch, denn er hatte eigentlich mithelfen sollen, das Abendessen zuzubereiten, doch nun roch er bereits die Essensdüfte aus der Küche. Warum hatten sie ihn so lange schlafen lassen?
    Sein Vater legte ihm eine Hand auf die Stirn. »Du bist etwas heiß, Prabir. Wie fühlst du dich?«
    »Mir geht es gut, Baba.« Prabir ballte die Hände zu Fäusten, um die Schnitte zu verstecken. Sie waren kein Problem, aber er wollte nach Möglichkeit vermeiden, dass er erklären – oder lügen – musste, wie es dazu gekommen war. Sein Vater wirkte ungewöhnlich ernst. Würde er gleich, hier und jetzt, die Entscheidung verkünden, dass Prabir eingeschult werden sollte?
    »In Jakarta gab es einen Putsch«, sagte sein Vater. »Ambon steht unter Kriegsrecht.« Er sprach in bewusst sachlichem Tonfall, als würde er über etwas Unwesentliches reden. »Ich habe keine Verbindung mit Tual bekommen, also weiß ich nicht genau, was dort geschieht. Vielleicht können wir uns auf längere Zeit keine neuen Vorräte beschaffen, deshalb wollen wir einen kleinen Garten anlegen. Und wir brauchen jemanden, der sich darum kümmert. Willst du diese Aufgabe übernehmen?«
    »Ja.« Prabir versuchte im schwachen Licht das Gesicht seines Vaters zu studieren. Erwartete er wirklich, dass Prabir sich mit diesem Minimum an Informationen begnügte? »Was ist in Jakarta geschehen?«
    Sein Vater stieß ein angewidertes Schnaufen aus. »Der Minister für Innere Sicherheit hat sich selbst zum ›Notstandsinterimspräsidenten‹ ernannt, mit Rückendeckung durch die Armee. Der Präsident steht unter Hausarrest. Die Sitzungen des Parlaments wurden suspendiert; etwa tausend Menschen haben sich zu einer Mahnwache vor dem Gebäude versammelt. Die Sicherheitskräfte haben sie bis jetzt in Ruhe gelassen, was erstaunlich ist.« Er strich sich besorgt über den Schnurrbart und fügte dann zögernd hinzu: »Aber in Ambon gab es eine große Protestdemonstration, als die Nachricht bekannt wurde. Die Polizei hat versucht, die Demonstranten aufzuhalten. Jemand wurde erschossen, dann begann die Menge, Verwaltungsgebäude zu plündern. Sechsundvierzig Menschen starben, hieß es im World Service.«
    Prabir war fassungslos. »Das ist ja schrecklich.«
    »Das ist es. Und für viele Leute wird es der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt. Die Unterstützung für die ABRMS kann jetzt nur noch größer werden.«
    Prabir strengte sich an, zwischen den Zeilen zu lesen. »Du meinst, sie könnten Fähren versenken?«
    Sein Vater zuckte zusammen. »Nein! So schlimm ist es nicht. Mach dir nicht solche Gedanken!« Um ihn zu beruhigen, legte er Prabir eine Hand auf die Schulter. »Aber die Menschen werden sich Sorgen machen.« Er seufzte. »Du weißt, dass wir jedes Mal, wenn wir die Fähre benutzen wollen, den Kapitän bezahlen müssen, damit er den Umweg macht. Wie liegen ein gutes Stück abseits der normalen Route zwischen Saumlaki und Tual. Das Geld ist eine Entschädigung für den zusätzlichen Treibstoff und Aufwand – und für den kleinen Anteil, der an jedes Mitglied der Besatzung geht.«
    Prabir nickte, obwohl ihm noch nie richtig bewusst geworden war, dass sie keine legitime Dienstleistung in Anspruch nahmen, sondern Schmiergelder für einen Gefallen bezahlen mussten.
    »Und das könnte nun schwieriger werden. Niemand wird mehr bereit sein, einen unplanmäßigen Zwischenstopp an einer einsamen Insel einzulegen. Aber das ist nicht so schlimm; wir können uns zur Not selbst versorgen. Und vielleicht ist es sogar besser, wenn wir unauffällig bleiben. Niemand wird uns behelligen, wenn wir niemandem in die Quere kommen.«
    Prabir nahm seine Worte schweigend in sich auf.
    Sein Vater deutete mit einem Kopfnicken zur Tür. »Komm jetzt, aber wasch dich vorher. Und sag deiner Mutter nicht, dass ich dich beunruhigt habe.«
    »Das hast du gar nicht.« Prabir stieg aus der Hängematte. »Aber wohin wird
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