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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe
Autoren: Charlotte MacLeod
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Großonkel Fred erst als wütendes Gespenst in der Diele herumspukt, nehmen sie bestimmt im Handumdrehen Reißaus«, gab Sarah zu bedenken. »Außerdem würden die Nachbarn ihre Gärtner mit Preßlufthämmern herschicken, um die Asphaltwege aufzubohren. Entschuldige, Mary, das mit der Pension war ein dummer Vorschlag. Selbst wenn die Leute vom Senior Citizens' Recycling Center hier herkommen würden, wäre im Viertel wahrscheinlich schon bald der Teufel los, weil du den Status quo stören würdest.«
    »Der verfluchte Status ist schon seit Roosevelts zweiter Amtsperiode nicht mehr quo«, schimpfte Dolph.
    »Schatz, darf ich dich daran erinnern, daß der Arzt dir ausdrücklich verboten hat, über Roosevelt zu sprechen, seit er neulich dabei deinen Blutdruck gemessen hat«, unterbrach Mary. »Außerdem bist du selbst ein Sozialreformer.«
    »Das glaubst du doch selbst nicht!«
    »Und ob ich das glaube. Ja, bitte, Henrietta, was ist denn?«
    »Mr. Loveday ist am Telefon«, sagte das Dienstmädchen. »Er möchte unbedingt sofort Mr. Kelling sprechen.«
    »Mr. Loveday?« sagte Sarah. »Ich dachte, ihr hättet ihn nach Großonkel Fredericks Ableben aufs Altenteil geschickt. Sag bloß, er arbeitet jetzt für dich, Dolph?«
    »Warum sollte ich Osmond Loveday Geld fürs Nichtstun bezahlen? Hölle noch eins, er ist immerhin viel jünger als ich. Onkel Fred hat ihn damals direkt aus dem College übernommen, auch wenn mir die Gründe dafür immer schleierhaft waren. Ich war zu der Zeit schon der Prügelknabe der Familie und durfte den Mund nicht aufmachen. Osmond hat die Bücher für all die lächerlichen Stiftungen geführt, die Onkel Fred dauernd gegründet hat, daher habe ich ihn behalten, damit er mir hilft, sie endlich alle aufzulösen, was uns Gott sei Dank mehr oder weniger auch gelungen ist. Jetzt arbeitet Osmond fast nur noch für das SCRC. Er ist die Kontaktperson für die Recyclingfirmen, kümmert sich um die Rechnungen, hält die Mitgliederliste auf dem neuesten Stand und dergleichen mehr. Er ist ein verfluchter Pedant, aber auf seine Weise recht fähig.«
    »Du solltest besser herausfinden, was er von dir will, Schatz«, versuchte Mary ihn zu besänftigen.
    »Schon gut. Hat wahrscheinlich wieder mal irgendwo einen Zehner hinterm Komma verbummelt, und ich soll ihm beim Suchen helfen. Bin gleich wieder zurück, Leute.«
    Adolphus Kelling war ein kräftiger Mann, großgewachsen und breitschultrig. Er hievte sich aus dem riesigen Ohrensessel, in dem er gesessen hatte, und marschierte aus dem Salon seiner Großtante wie ein Mann, der es gewohnt war, die Pflichten, die man ihm aufbürdete, stets zu erfüllen. Mary sah ihm nach, und ihre immer noch wunderschönen blauen Augen nahmen einen besorgten Ausdruck an.
    »Hoffentlich ist nichts passiert. Normalerweise stört uns Osmond Loveday nie um diese Zeit an einem Sonntagabend. Das Center ist geschlossen. Es wundert mich, daß der Mann überhaupt noch wach ist. Osmond gehört zu den Menschen, die zeitig zu Bett gehen. Er steht immer in aller Herrgottsfrühe auf und geht im Public Garden spazieren.«
    »Solche Typen sollte man abmurksen«, brummte Jem, der nie weiter spazierte als bis zum nächsten Martini, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. »Miserables Vorbild für die amerikanische Jugend.«
    Cousine Theonia ordnete die Spitzenrüschen über ihren zarten Handgelenken und versuchte wie so oft, das Gespräch auf ein angenehmeres Thema zu lenken. »Dolph sieht wirklich hervorragend aus, Mary. Das liegt bestimmt an deiner guten Pflege.«
    »Ich tue mein Bestes.« Mary strahlte, und ihr freundliches Gesicht wirkte mit einem Mal fast so schön wie das von Theonia. »Der Herrgott weiß, daß Dolph mir ein wunderbarer Ehemann ist.«
    »Na so was, Mary«, begann Sarah sie zu necken, »man könnte fast meinen, du wärst bis über beide Ohren in ihn verliebt.«
    »Habt ihr etwa gedacht, ich hätte ihn wegen seines Geldes geheiratet?« konterte Mary wütend. »Wenn ihr die Wahrheit hören wollt, ich habe mich schon in Dolph verliebt, als ich seine Rede im West-End-Seniorencenter gehört habe. Ich konnte mein Glück kaum fassen, als ich ihn kurze Zeit später bei dir zu Hause persönlich kennengelernt habe, Sarah, und er mich zum Abendessen ins Ritz eingeladen hat. Ich habe mich gefühlt wie Aschenputtel mit ihrem Märchenprinz.«
    Jem gab einen merkwürdigen Gurgellaut von sich, den er offenbar nicht unterdrücken konnte. Mary ging sofort zur Offensive über.
    »Oh, ich weiß,
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