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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe
Autoren: Charlotte MacLeod
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lassen«, sagte Theonia.
    Theonia hatte zwar keine Kinder, brachte jedoch ihre Meinung mit so viel Autorität vor, daß keiner auf die Idee kam, ihr zu widersprechen. Vielleicht hatte sie sich ihr Durchsetzungsvermögen in ihrem ehemaligen Beruf als Wahrsagerin angeeignet. Max gab sich geschlagen. Sarah ging mit den anderen ins Haus und ließ sich aus Rücksicht auf ihre besonderen Umstände zu einem Glas heiße Milch überreden. Jem bat um einen schwarzen Kaffee. Brooks und Theonia tranken etwas, das Schlummertee hieß. Sie waren noch immer mit ihren Getränken beschäftigt, als Max nach Erfüllung seiner unangenehmen Pflicht zurückkam.
    »Es war tatsächlich Arthur«, teilte er ihnen mit. »Dolph ist ziemlich betroffen. Es ist das erste Mal, daß eines der SCRC-Mitglieder eines gewaltsamen Todes gestorben ist, und er macht sich die größten Vorwürfe. Er glaubt felsenfest, es wäre nicht passiert, wenn er das Lagerhaus bereits umgebaut hätte.«
    »Der arme Dolph«, sagte Sarah. »Mary hat völlig recht mit dem, was sie über ihn gesagt hat, findet ihr nicht? Wo ist er jetzt?«
    »Ich habe ihn wieder nach Hause gebracht. Wir sind nicht sehr lange im Leichenschauhaus geblieben. Es gab nichts, was wir noch hätten tun können. Dolph hat versprochen, morgen früh einen Bestatter zu schicken, und Arthurs Habseligkeiten haben sie uns schon mitgegeben.«
    Er hielt eine arg mitgenommene, zerrissene braune Papiertragetasche in die Höhe, die auf einer Seite in grünen Lettern den Aufdruck »SCRC« trug.
    »Mehr hatte er nicht bei sich. Außer der Mitgliedskarte in seiner Tasche und den Kleidern, die er am Leib trug. Er wurde mit dem Wagenheber erschlagen, den man am Tatort gefunden hat. Dolph vermutet, daß Arthur ein bißchen Bargeld bei sich hatte. Der Mann war ein gewissenhafter Sammler und hat jeden Tag einen Haufen Dosen und Flaschen im Center abgegeben und sich das Geld dafür immer sofort auszahlen lassen. Die beiden Polizisten, die ihn gefunden haben, sagten, in der Nähe der Leiche hätte etwa ein Dutzend leere Getränkedosen gelegen, die wahrscheinlich aus der auf-gerissenen Tragetasche gerollt sind.«
    »In seinen Stiefeln gestorben«, meinte Brooks. »Wahrscheinlich hätte es für jemanden in seiner Lage noch schlimmer kommen können. Gibt es eine Beerdigung?«
    »O ja, die Kosten übernimmt das Center für alle seine Mitglieder. Die meisten sind nicht mehr die Jüngsten, so daß damit zu rechnen ist, daß hin und wieder einer von ihnen das Zeitliche segnet. Es wird viel Wert auf ein ordentliches Begräbnis gelegt. Dolph sagt, das sei Marys Idee gewesen. Dem Toten nutzt es zwar nicht mehr viel, aber die anderen fühlen sich dadurch besser. Die Feier findet in einer Kirche in der Nachbarschaft statt. Ich glaube, einer der SCRC-Männer war früher Hausmeister oder so etwas ähnliches in der Kirche und hält einen überkonfessionellen Gottesdienst ab, und dann gehen alle gemeinsam zum Center und werden mit Kaffee und Kuchen beköstigt.«
    »Wirklich sehr einfühlsam von Mary«, sagte Theonia bewegt. »Auf die Weise haben die Leute die Gewißheit, daß man sich auch nach ihrem Tod noch um sie kümmert. Meinst du, ich sollte etwas Leckeres für sie backen, Brooks?«
    »Warum fragst du Mary nicht morgen früh, Liebes? Sie kann dir die Frage sicher besser beantworten als ich. Max, darf ich dir etwas zu trinken anbieten? Tee? Brandy?«
    »Brandy, wenn es dir nichts ausmacht. Ich kann einen ordentlichen Schluck gebrauchen.« Max inspizierte die arg mitgenommene Tragetasche. »Der arme Kerl. Hat nichts besessen außer diesem verdammten Ding hier, und selbst das wollte ihm noch irgendein Mistkerl wegnehmen. Die Taschen mit dem Aufdruck waren wahr-scheinlich auch Marys Idee?«
    »Nein, ich glaube, auf die Idee ist Dolph gekommen«, sagte Sarah. »Paß auf, Max, da rieselt Zucker oder sowas aus der Tasche.«
    »Zucker?«
    »Den haben viele bei sich, wißt ihr«, sagte Theonia. »Ihr kennt doch die kleinen Tütchen, die überall auf den Theken und Tischen liegen. Die zusätzlichen Kohlehydrate kann man gut gebrauchen, wenn man die Nacht in einem zugigen Hauseingang verbringt.«
    Max nickte, schien aber mit seinen Gedanken woanders zu sein. Er breitete eine Zeitung auf dem Bibliothekstisch aus und legte die Tragetasche darauf. Dann riß er vorsichtig die Nähte auf und entdeckte noch ein paar weitere Kristalle, die darin hängengeblieben waren.
    »Hast du vielleicht etwas, womit man das Zeug genauer untersuchen kann,
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