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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe
Autoren: Charlotte MacLeod
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mit einem Mal bewußt, wie grundverschieden sie doch alle waren, obwohl sie sich so nahestanden. Am exotischsten war zweifellos die elegante Theonia mit ihren untadeligen Manieren, dem glänzend rabenschwarzen Haar und den dunklen Augen. Sie war die Tochter einer Zigeunerin und eines Anthropologiestudenten, der sich während des Studiums an einem der renommierten Ivy League Colleges weit intensiver mit seinem Thema befaßt hatte, als er ursprünglich geplant hatte.
    Theonia zog stets bewundernde Blicke auf sich und tat alles, damit dies auch so blieb. Obwohl sie seit ihrer Hochzeit mit Brooks keine hohen Absätze mehr trug, wirkte sie immer noch sehr groß und unternahm jeden Tag ausgedehnte Spaziergänge, um ihren gesegneten Appetit und ihre höchst attraktive Rubensfigur im Gleichgewicht zu halten. Tagsüber kleidete sie sich gewöhnlich dezent in Schwarz oder Dunkelrot und schmückte sich lediglich mit einer schlichten Perlenkette, abends jedoch schlüpfte sie in ihre eigenen phantasievollen Creationen.
    An diesem kühlen Septemberabend war Theonias Wahl auf ein üppiges weinrotes Samtgewand gefallen, das sie ursprünglich in Filene's Basement als heruntergesetzten Morgenmantel erstanden hatte. Sie hatte den Samt den Linien ihres teuren Mieders angepaßt und mit cremefarbener Spitze besetzt, die dereinst zu einem Body-Kor-selett gehört hatte, das Sarahs verstorbene Ex-Schwiegermutter, der das Teil auch gehört hatte, als »Teddy« bezeichnet hätte.
    Das Kleid schrie förmlich nach einem Zobelmantel, fand Sarah. Aus Rücksicht auf Brooks Gefühle, was den grausamen Mord an Pelztieren zur Zierde modebesessener Damen betraf, hatte Theonia jedoch statt dessen zweieinhalb Meter schwarzen Wollstoff gekauft und sich daraus eine Stola gefertigt, die sie gerade vorsichtig über ihre hochgesteckte Haarpracht drapiert und geschickt um den oberen Teil ihres samtenen Spitzengewandes geschlungen hatte. In dieser Aufmachung erinnerte sie lebhaft an eine nicht mehr ganz junge Tosca, die sich aufgemacht hatte, Baron Scarpia zu erdolchen.
    Trotzdem wirkte Brooks Kelling, der nur ein Meter siebzig groß und höchstens fünfundsechzig Kilo schwer war, als Begleiter seiner stolzen Gattin alles andere als lächerlich. Tatsächlich wäre niemandem auch nur im Traum eingefallen, sich über Brooks lustig zu machen. Irgend etwas an ihm erinnerte an die bescheidenen Helden in den Romanen John Buchans, die alle möglichen Akzente und Dialekte beherrschten, wenn es die Situation erforderte, und zudem die seltene Gabe besaßen, sich mit ein paar kleinen Tricks und einer Handvoll Staub völlig unkenntlich zu machen. Mit einem Minimum an Anhaltspunkten rekonstruierten sie den Tathergang und meisterten mit einem Kirchenlied auf den Lippen und einem Bibeltext im Herzen mühelos alle erdenklichen Strapazen und Gefahren. Nachdem sie geheimnisvolle Grafen enttarnt oder ihr Vaterland in letzter Minute vor dem Feind gerettet hatten, gingen sie in aller Seelenruhe nach Hause, um ihren Rasseschweinen den Rücken zu kraulen, oder unternahmen lange Spaziergänge übers Moor und vertieften sich dabei in Carlyles machen. Mit einem Minimum an Anhaltspunkten rekonstruierten sie den Tathergang und meisterten mit einem Kirchenlied auf den Lippen und einem Bibeltext im Herzen mühelos alle erdenklichen Strapazen und Gefahren. Nachdem sie geheimnisvolle Grafen enttarnt oder ihr Vaterland in letzter Minute vor dem Feind gerettet hatten, gingen sie in aller Seelenruhe nach Hause, um ihren Rasseschweinen den Rücken zu kraulen, oder unternahmen lange Spaziergänge übers Moor und vertieften sich dabei in Carlyles
    Brooks war ein leidenschaftlicher Fotograf von Fischadlerhorsten und heißgeliebter Mittelpunkt und Vogelstimmenimitator bei Kindergeburtstagen. Er konnte so gut wie alles basteln und bauen, war allerdings wählerisch, was sein Material betraf. Er sprach nur gepflegtes Andover-Harvard-Amerikanisch und konnte sich damit überall und in jeder Situation problemlos verständigen. Im Sommer trug er einen feschen Strohhut, dessen Band die Feder eines Haubentauchers zierte, im Winter einen grünlich-grauen Filzhut mit der Feder eines Steinwälzers. Die einzigen Gefahren, die ihn je bedroht hatten, waren dominante heiratswütige Witwen, doch vor deren Nachstellungen hatte Theonia ihn glücklicherweise errettet. Hinterhältige Bösewichter würden sich an Brooks Kelling todsicher die Zähne ausbeißen und hatten es daher, soweit bekannt war, auch noch nie
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