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Teeblätter und Taschendiebe

Titel: Teeblätter und Taschendiebe
Autoren: Charlotte MacLeod
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Zimmern herumgehen kann, ohne sich ständig das Schienbein zu stoßen.«
    Sie hatte Dolphs Tante und Onkel nie kennengelernt. Die beiden hatten den kleinen Adolphus bei sich aufgenommen, nachdem seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, als die Schmalspurbahn im Norumbega-Freizeitpark mit einem Brauereiwagen, der sich selbständig gemacht hatte, kollidierte. Sie hatte zwar mit Theonia ein oder zwei Seancen veranstaltet, in der Hoffnung, Fred und Matilda würden sich manifestieren, damit sie ihnen endlich ihre Meinung sagen konnte, was die Einschüchterungen und Gehirnwäschen betraf, die sie dem kleinen unschuldigen Waisenknaben angetan hatten; doch anscheinend waren die beiden im Tode genauso starrsinnig wie im Leben. Theonia hatte sich zwar zu weiteren Versuchen bereiterklärt, doch Mary war aufgrund ihrer irischkatholischen Erziehung von dieser Idee nicht sonderlich erbaut.
    Doch momentan hatte sie ohnehin andere Probleme. »Du mußt den Tatsachen endlich ins Auge sehen, Dolph. Früher oder später müssen wir uns um die vielen Sachen kümmern, sonst ersticken wir noch darin. Warum sollten wir also nicht selbst davon profitieren? Wir können das Geld genauso gut gebrauchen wie andere.«
    »Und verdammt viel besser damit umgehen als gewisse Leute, die wir kennen«, fügte Dolph hinzu und starrte dabei aus alter Gewohnheit Jem an.
    »Reine Ansichtssache«, erwiderte sein Cousin grinsend. »Wolltest du mir nicht gerade die Karaffe rüberreichen, Schrecken meiner Kindheit, oder hast du vor, sie mit dem Rest deines Gerumpels unter den Hammer zu bringen?«
    »Warum eigentlich nicht, zum Teufel?« Dolph nahm das hübsche Gefäß aus geschliffenem Glas, schüttelte bedauernd den Kopf, als er den traurigen roten Rest darin sah, und reichte es Jem. »Ich habe sowieso nichts mehr, womit ich das Ding füllen kann, wenn du die letzten Tropfen in deine undankbare Kehle hinuntergespült hast. Wir haben nämlich gerade die letzte Flasche von Onkel Freds Portweinsammlung geleert. Oder nicht, Mary?«
    »Es sind noch zwei Flaschen übrig, und du brauchst gar nicht so gierig zu schauen, Jem. Die werden für Dolphs Geburtstagsparty im November aufgehoben.«
    »Warum sollte wohl irgendwer meinen Geburtstag feiern?« brummte Dolph, sah aber trotzdem erfreut aus. »Von mir aus kannst du den Rest ruhig runterschütten und dir endgültig deine verdammten Eingeweide ruinieren. Wundert mich sowieso, daß du nicht längst schon an Säuferleber krepiert bist.«
    »Ich besitze eine äußerst glückliche Leber«, erwiderte Jem ohne Groll. »Auf deinen siebzigsten, alter Mistkerl, für den Fall, daß ich zu besoffen bin, um einen Toast auf dich auszusprechen, wenn es soweit ist. Donnerwetter, das ist ja ein echter Meilenstein in deinem Leben. Der nächste Halt wäre da wohl die Abdeckerei, alter Junge.«
    »Unsinn«, sagte Sarah. »Dolph wird mindestens achtundneunzig, wie Großonkel Frederick. Meinst du nicht auch, Brooks?«
    Der gepflegte kleine Mann, der gerade damit beschäftigt war, sich einige der besinnlichen Birkenrindensprüche für das Familienarchiv zu notieren, pflichtete ihr bei. »Neunzig, würde ich sagen. Viel älter wahrscheinlich nicht. Dolph ist zwar streitsüchtig, aber er ist nicht bösartig wie Onkel Fred. Um so lange durchzuhalten wie Onkel Fred, benötigt ein Mensch meiner Meinung nach eine ausgesprochene Portion Scheußlichkeit.«
    »Da könntest du recht haben, Brooks«, sagte Jeremy. »Du bist in der letzten Zeit richtig brav geworden, Dolph. Vielleicht solltest du lieber aufhören, gute Werke zu vollbringen und dir statt dessen hin und wieder ein paar gesunde Ausschweifungen gönnen, sonst wirst du möglicherweise am Ende noch genauso weich wie das Innere deiner Birne.«
    »So etwas sagt man nicht zu jemandem, dem man gerade den letzten Rest Portwein weggetrunken hat«, tadelte Max. »Okay, Dolph und Mary wollen also eine Versteigerung abhalten, um das Unkraut zu jäten und damit ein bißchen Moos zu machen. Was ist sonst noch zu besprechen?«
    »Moment mal«, unterbrach Jem. »Wozu brauchen die überhaupt noch mehr Knete? Die haben doch Geld wie Heu. Obwohl man andererseits natürlich nie genug davon haben kann«, fügte er noch schnell hinzu, da Jem immerhin trotz allem ein Kelling war.
    »Du scheinst wohl noch nicht eingeweiht worden zu sein«, sagte Mary. »Hat Dolph dir nicht erzählt, daß wir uns vergrößern wollen?«
    »Euch vergrößern? Du meinst doch wohl nicht etwa den vornehmen Schrottplatz,
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