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Tausendschön

Tausendschön

Titel: Tausendschön
Autoren: K Ohlsson
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doch wirkte sie irgendwie reif. Vor allem war sie so frisch im Laden, dass sie noch nicht all die Geschichten gehört hatte, die über Peder kursierten. Zum Beispiel dass er seine Frau verlassen hatte. Dass er sie, während sie noch zusammenlebten, betrogen hatte. Dass die Jungen, die doch noch so klein waren, doppelt von ihrem Vater im Stich gelassen worden waren, weil ihm mitten in seiner ohnehin schon verkürzten Erziehungszeit klar geworden war, dass er es nicht ertrug, mit den Kindern allein daheim zu sitzen. Daraufhin hatte er sie wieder zu ihrer Mutter verfrachtet, die – nachdem sie ein Jahr lang unter einer schweren postnatalen Depression gelitten hatte – gerade wieder angefangen hatte, in Teilzeit zu arbeiten.
    Peder setzte sich so nah neben die Anwärterin wie nur möglich, ohne dass es bemerkt würde, wobei ihm sofort klar war, dass es deutlich zu nah war. Doch sie rückte nicht ab, was Peder als gutes Zeichen wertete.
    » Die sind gut«, sagte sie stattdessen, legte den Kopf schief und sah auf die Zimtröllchen hinab.
    Sie hatte kurze Haare mit störrischen Locken, die in alle Richtungen abstanden. Wenn ihr Gesicht nicht so hübsch gewesen wäre, hätte sie für einen Troll durchgehen können.
    Peder beschloss, alles zu geben, und setzte sein frechstes Grinsen auf. » Sehen aus wie Pimmel, findest du nicht?«, fragte er und zwinkerte ihr zu.
    Die Anwärterin bedachte ihn mit einem langen Blick, erhob sich und ging. Die Kollegen auf dem Sofa gegenüber grinsten höhnisch.
    » Das schaffst auch nur du, Peder, einen so guten Start zu versauen«, sagte einer von ihnen und schüttelte den Kopf.
    Statt zu antworten, stopfte Peder sich mit erröteten Wangen den Rest des Zimtröllchens in den Mund.
    Im selben Moment steckte Kriminalkommissar Alex Recht den Kopf ins Zimmer. » Peder und Joar, in zehn Minuten Besprechung in der Löwengrube.«
    Peder sah sich unauffällig um und konstatierte befriedigt, dass die Ordnung wiederhergestellt war. Zwar war er erklärtermaßen der erbärmlichste Anbaggerer der ganzen Etage, doch er war auch der Einzige, dem es gelungen war, im Alter von nur zweiunddreißig Jahren zum Kriminalinspektor befördert zu werden, und definitiv der Einzige von ihnen, der einen permanenten Sitz in der Arbeitsgruppe des legendären Alex Recht einnahm.
    Demonstrativ langsam erhob er sich vom Sofa, griff nach seiner Kaffeetasse und stellte sie in die Spüle, obwohl die Spülmaschine offen stand und ein feuerrotes Schild mit der Aufschrift » Deine Mama arbeitet nicht hier« ihn daran erinnerte, wohin die Tasse eigentlich gehörte.
    In einer früheren Zeit, die so weit entfernt schien wie ein früheres Leben, hatte Fredrika Bergman Erleichterung und Freude empfunden, wenn der Abend und die Müdigkeit kamen und sie sich endlich schlafen legen konnte. Doch das war lange her. Inzwischen verspürte sie, sobald es auf zehn Uhr zuging und das Schlafbedürfnis sich bemerkbar machte, nichts anderes als Angst. Wie ein Guerillakrieger stemmte sie sich dem Feind entgegen – bereit, bis zum letzten Blutstropfen zu kämpfen. Für gewöhnlich errang sie irgendwann den Sieg, aber ihr Körper und ihre Seele waren derart überspannt, dass sie bis weit in die frühen Morgenstunden wach lag. Die Müdigkeit tat fast physisch weh, und das Kind trat unruhig um sich und schien seine Mutter zwingen zu wollen, zur Ruhe zu kommen. Doch das gelang ihm natürlich fast nie.
    Ein Arzt, den sie über die Schwangerschaftsberatung vermittelt bekommen hatte, meinte, sie damit beruhigen zu können, dass sie nicht die einzige Schwangere sei, die von schrecklichen Albträumen heimgesucht wurde. » Das hat mit den Hormonen zu tun«, hatte er erklärt, » und es geht oft mit einer Symphysenlockerung im Beckenbereich und starken Schmerzen einher.«
    Dann hatte er gesagt, dass er sie krankschreiben könne, doch da war Fredrika aufgestanden und zur Arbeit gegangen. Sie war sicher, dass es ihr Untergang wäre, wenn sie nicht mehr arbeiten dürfte. Denn dann würden die Albträume wohl kaum weniger werden.
    Eine Woche später hatte sie wieder bei dem Arzt gesessen und mit gesenktem Blick erklärt, dass sie eine Krankschreibung um fünfundzwanzig Prozent akzeptieren würde. Die bekam sie auch ohne weitere Diskussionen.
    Fredrika bewegte sich langsam durch den kurzen Teil des Flures, an dem das Team von Alex saß. Ihr Bauch stand geradeaus vor, als hätte sich ein Basketball unter ihren Pullover verirrt. Ihre Brüste waren fast doppelt so
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