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Target 5

Target 5

Titel: Target 5
Autoren: Colin Forbes
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versuchte, seine Finger zu lösen, die sich noch an die Leiter klammerten. Er öffnete die Augen und sah einen gebrochenen Mast als Schattenbild gegen den mondhellen Himmel. Der Mast peitschte hin und her, und plötzlich fiel etwas herunter auf Beaumont zu und schlug kaum zwei Meter von ihm entfernt dumpf auf das Deck. Der Wachposten war aus dem Ausguck gestürzt. Beaumont glaubte, sich das alles nur einzubilden; aber es war ein toter Matrose, der zwei Meter von ihm entfernt auf dem Deck mit zertrümmertem Schädel lag.
    Er war unfähig, sich zu rühren, als sein geprellter und blutbefleckter Körper aufgehoben und eine Treppe hinuntergetragen wurde. Da Silva mußte ihn bitten, seine Worte zu wiederholen, um ihn zu verstehen. »Grayson und Langer sind in Sicherheit«, versicherte ihm der Obermaat. »Alles in Ordnung. Wir sind auf dem Weg nach Hause.« Diesen Optimismus teilte Kapitän Alfred Schmidt in diesem Augenblick keineswegs. Er ordnete jedoch volle Fahrt um jeden Preis an. Der Eisbrecher steuerte mit fast tödlicher Gewißheit seinem Untergang entgegen.
    Rundherum trieben Eisberge zusammen, in Gegenströmungen verfangen. Sie drohten die Elroy einzuschließen, deren Motoren nun schneller liefen. Vor allem waren es zwei riesige Eisberge direkt vor ihnen, die Schmidt mit wachsender Besorgnis beobachtete. Die Silhouetten der Eisberge ragten backbord und steuerbord hoch auf, Burgen aus Eis im Mondlicht, die in der gefährlichen schmalen Fahrrinne, durch die die Elroy fuhr, aufeinander zutrieben. Noch fünf Minuten, und sie würden wissen, ob sie es geschafft hatten. Noch fünf Minuten, und sie würden durch das Tor hindurch sein oder zwischen den sich schließenden Eisbergen zermalmt werden. »Volle Fahrt…«
    Da Silva kam auf die Brücke, als der Kapitän den Befehl wiederholte, was er bisher noch nie getan hatte. Es sollte dem Ersten Maschinisten unten im Maschinenraum klarmachen, daß es sich um Leben oder Tod handelte. Schmidt wandte seinen Kopf dauernd hin und her, wie bei einem Tennisspiel: backbord, geradeaus, steuerbord. Die Aussicht blieb die gleiche – Eisberge in Bewegung; und jedesmal, wenn Schmidt hinschaute, schienen sie näher gekommen zu sein. Der Bug drängte sich vorwärts, war auf das sich verengende Tor gerichtet und schob riesige Eisschollen zur Seite.
    Die Wiederholung desselben Befehls hatte die Dringlichkeit in den Maschinenraum vermittelt, und ohne daß ein weiteres Wort notwendig gewesen wäre, wußten die Männer unten, was los war. Der Erste Maschinist starrte auf die Reihe der Meßinstrumente, aber seine Gedanken waren nicht bei dem Schiff. Er stellte sich die grausamen Eisklauen vor, die ihnen entgegenkamen, und die ungeheure Wucht, wenn das Eis auf Stahl traf. Er stellte sich vor, wie der Rumpf nach innen brach, der Eisklotz sich hindurchbohrte und wie unmittelbar die Überschwemmung folgte. Die Mannschaft im Maschinenraum beobachtete ihn; er versuchte also, eine gleichgültige Miene aufzusetzen. Sie würden natürlich nie rechtzeitig herauskommen. Der Maschinenraum war der Friedhof eines Schiffes. Wie schon bei anderen Gelegenheiten, schwor er sich wieder einmal, nie wieder zur See zu fahren, wenn er diesmal heil davonkommen sollte.
    Zu beiden Seiten des Buges lagen die Eisberge so nah beieinander, daß es aussah wie die Einfahrt in einen schmalen Fjord oder in den Isthmus von Korinth, wo zu beiden Seiten steile Felswände hochragen – nur, daß es sich hier um Eis wände handelte, die außerdem auch noch in Bewegung waren. Schmidt starrte geradeaus, weigerte sich, noch einmal zur Seite zu schauen. Er spürte, daß Da Silva, der Schiffsführer und der wachhabende Offizier entsetzt zu ihm herübersahen. Er zog ein Taschentuch aus seiner Tasche, betupfte seine Stirn und sagte beiläufig: »Ein bißchen warm, nicht wahr?« Er hätte eine Flasche aus dem Brückenfenster werfen und achtern vor Backbord den Eisberg treffen können. Das Vordeck lag im Dunkel, im Schatten der Eisberge. Da Silva, der seine Hände verkrampft hinter dem Rücken verschränkt hielt, hätte vor Anspannung schreien können; aber Schmidts aufrechte Gestalt, seine jüngste Bemerkung und seine Weigerung, weder nach Backbord noch nach Steuerbord zu sehen, gaben ihm Selbstbeherrschung. Genau wie der Kapitän, starrten die anderen Männer auf der Brücke mit steinernem Blick geradeaus.
    »Schauen Sie durch das hintere Fenster, Mr. Da Silva«, forderte Schmidt ihn auf.
    »Wir sind durch! Wir sind durch das
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