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Taqwacore

Taqwacore

Titel: Taqwacore
Autoren: M Knight
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sagen, dass ich mit ihr in meinem alten Zimmer rumgemacht habe. Was auch immer.
    Wir sind in die Annalen eingegangen: Jehangir, Rude Dawud, Mustafa aus der Vorzeit und ich. Wenn Umar, Rabeya, Fasiq und Ayyub wegziehen sollten, verschwindet auch die Erinnerung. Das wäre dann unser zweiter Auszug. Es ist wie mit der Kathedrale von Cordoba, deren Wände mit Ayat bedeckt sind, obwohl es dort keine Mauren mehr gibt.
    Aus irgendeinem Grund befanden sie sich alle zusammen mit Jehangir jenseits einer Grenze, die ich nicht überqueren konnte. Neulich fiel mir der Handabdruck eines Kindes auf dem Bürgersteig auf, und sofort stellte ich mir vor, wie Ayyub sagen würde, dass die fünf ausgestreckten Finger für die Ahl-ul-Bait stehen: Mohammed, Fatima, Ali, Hassan und Hussein. Ich grinste bei dem Gedanken an Ayyub und musste sogar lachen; doch es kam mir nie in den Sinn, dass ich im Haus anrufen und mit ihm sprechen könnte, dass er noch immer ein lebendes menschliches Wesen war, ganz gleich, wo ich auch hinging.
    Immer, wenn meine Hände so kalt werden, dass mir die Finger schmerzen, denke ich an Buffalo. »Stell dir die Wüste vor«, sagte Jehangir dann. Er schloss die Augen und behauptete, er befände sich jetzt gerade in Kerbela.
    »Hey, da ist Andrew Jackson«, würde er mit geschlossenen Augen sagen. »Andrew Jackson in Kerbela. Wow, cool. Er reitet sein weißes Pferd und lässt es sich aufbäumen.«
    Mark Twain lebte in Buffalo. Er ist in Elmira begraben. Jehangir pilgerte dort hin und goss Zamzam-Wasser auf sein Grab, aber ich glaube, das hatte ich schon erwähnt.
    … Jehangir Tabari, der wie ein Fremder durch die Welt ging; Jehangir Tabari in Buffalo, wie Imam Burroughs in Tanger; Jehangir Tabari, der neue Hasan-ibn Sabbah, und Jehangir Tabari, der einzige Jehangir Tabari, den es jemals gab; Jehangir Tabari, der Fürst der Jugend des Paradieses; Jehangir Tabari, für dessen Unschuld sich eines Tages Menschen geißeln werden. Jehangir Tabari, der versiegelte Nektar.
    … Jehangir Tabari, der torkelnde, sophokleische, zweiköpfige Pittbull auf Kreatin; Jehangir, der Derwisch aus der Gosse.
    Wenn Allah seine Geliebte ist, dann hat er seine Initialen in Ihr Schamhaar rasiert.
    Wenn der Rausch nur eine Metapher von Rumi ist, dann hat Jehangir Allah mit einer Bierflasche gefickt.
    Der Winter in Buffalo ist fies. Selbst wenn der Schnee in leichten Flocken fällt, gibt es einfach zu viel davon, und er türmt sich auf wie bei einem massiven Flächenbombardement. Im Februar fängt es hier und da an zu tauen, nur um dich erneut mit voller Wucht zu erwischen, wenn du gerade denkst, es würde nachlassen.
    Das vermisse ich nicht. Allein wegen des Wetters kann man in Buffalo Depressionen kriegen, egal, was man macht.
    Aber ich vermisse die Leute.
    Muslime, Nicht-Muslime und all die Aufrichtigen dazwischen. Die verdammten adh-Dhariyat , sie haben mich weit weg getragen.
    Jehangir ist tot und eingeäschert. Ich bin froh, dass sie ihn nicht in der kalten Erde Buffalos begraben haben. Vielleicht wird die Einäscherung ihm die Qualen des Grabes ersparen.
    Astagfirullah.
    Wenn Rabbil’Alamin wollte, könnte Er Jehangir wieder zusammensetzen und ihn den lieben langen Tag martern, ihm tüchtig einheizen für alles, was er getan hat. Wenn das der Allah ist, den ihr wollt, bitteschön.
    Es ist in Ordnung, Zeichentrickfilme anzusehen ; aber wenn ihr das Feuer der Hölle fürchtet, solltet ihr nur Bäume und Steine malen.
    Ich chatte mit einem Mädchen im Internet. Sie heißt Zuhra. Sie ist im ersten Semester an der Universität von Binghamton, etwas mehr als eine Stunde südlich von Syracuse auf der I -81. Sie jobbt als Babysitterin für eine fromme christliche Familie im nahegelegenen Vestal. Zwei Jungen und ein Mädchen; süße Kinder, sagt sie.
    Wir sind uns nie begegnet, aber ich schließe oft die Augen und stelle sie mir vor. In ihrem Blick liegt eine Andeutung von natürlicher Bescheidenheit. Wenn sie den Christenkindern ein aufgeschlagenes Knie verbindet oder ihnen in der Badewanne die Haare wäscht und darauf achtet, dass ihnen das Shampoo nicht in die Augen gerät, haben ihre Gesten etwas Anmutiges und Mütterliches. In meiner Vorstellung ist ihr glattes schwarzes Haar immer mit einem Tuch zusammengebunden, doch wenn sie es offen trägt, haut sie einen einfach um. Ihr Lächeln sieht man nicht oft, ich meine damit ein wirklich echtes Lächeln, bei dem sie nicht nur ihre Zähne zeigt, sondern das auch ihre Augen aufleuchten lässt,
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