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Tante Julia und der Kunstschreiber

Tante Julia und der Kunstschreiber

Titel: Tante Julia und der Kunstschreiber
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sorgfältig geschmückten, von Rasen und Blumen und schmiedeeisernen Gittern umgebenen Gebäude aus roten Ziegeln und holzgedeckten Dächern. Schon beim Eintreten wußte Dr. Quinteros, daß die Festlichkeit alle seine Erwartungen übertreffen sollte und er einem Ereignis beiwohnen würde, das die Gesellschaftschronisten als »prachtvoll« beschreiben würden. Überall im Garten hatte man Tische und Sonnenschirme aufgestellt, und ganz hinten, in der Nähe der Hundezwinger, schützte eine gewaltige Markise einen schneeweiß gedeckten Tisch, der sich die ganze Wand entlang erstreckte und mit Platten voller farbenfroher Leckerbissen bedeckt war. Die Bar befand sich neben dem Teich mit den stolzen japanischen Fischen, und man sah so viele Gläser, Flaschen, Cocktailshaker und Krüge mit Erfrischungsgetränken, als gälte es, den Durst eines ganzen Heeres zu stillen. Kellner in weißen Jacken und Mädchen mit Häubchen und Schürze empfingen die Gäste und bedrängten sie schon an der Tür mit Pisco sauer, Johannisbeerschnaps, Wodka mit Mara-cuya, Whisky, Gin oder Champagner und mit Käsestäbchen, Pfefferchips, speckumwickelten Pflaumen, panierten Krabben, Pastetchen und allen Häppchen, die Limas Phantasie hervorgebracht hat, um den Appetit anzuregen. Drinnen erhöhten gewaltige Körbe und Sträuße von Rosen, Narden, Gladiolen, Lilien und Nelken, die in den Türen oder die Treppe entlang auf Fensterbänken und Möbeln standen, die freudige Stimmung. Das Parkett war gewachst, die Gardinen gewaschen, Porzellan und Silberzeug blitzten, und Dr. Quinteros lächelte, als er sich vorstellte, daß selbst die Schnitzereien der Vitrine poliert worden waren. Im Vestibül gab es noch ein Büffet, und im Eßzimmer waren die Süßspeisen – Marzipan, Eistorte, Zuckerwerk, Mandeleier, Kokosflocken, Nüsse in Sirup – um die eindrucksvolle Hochzeitstorte herum ausgebreitet, eine cremige und stolze Konstruktion aus Tüll und Säulen, die den Damen Jauchzer der Bewunderung entlockte. Was jedoch die weibliche Neugier am meisten anzog, waren die Geschenke in der ersten Etage. Es hatte sich eine so lange Schlange gebildet, um sie zu besichtigen, daß Dr. Quinteros sofort beschloß, sie nicht anzusehen, obwohl er gern gewußt hätte, wie sich sein Armband unter all diesen Dingen ausnahm. Nachdem er überall ein bißchen herumgeschaut hatte – Hände geschüttelt, umarmt hatte und sich hatte umarmen lassen –, kehrte er in den Garten zurück und setzte sich unter einen Sonnenschirm, um in Ruhe sein zweites Glas an diesem Tag zu genießen. Alles war hervorragend arrangiert. Roberto und Margarita verstanden es, die Dinge großzügig zu gestalten. Und obwohl ihm die Idee mit der Tanzkapelle nicht besonders vornehm erschien – man hatte die Teppiche, den Tisch und die Anrichte mit dem Elfenbein fortgeräumt, damit die Paare tanzen konnten –, entschuldigte er diesen Mangel an Eleganz als Konzession an die jüngere Generation, denn er wußte, daß für die Jugend ein Fest ohne Tanz kein Fest war. Man begann Truthahn und Wein zu reichen, und jetzt stand Elianita im Eingang auf der zweiten Stufe und warf ihren Brautstrauß unter die vielen Freundinnen aus der Schule und aus der Nachbarschaft, die schon die Hände danach ausstreckten. Dr. Quinteros erkannte in einem Winkel des Gartens die alte Venancia, Elianitas Amme. Die Greisin war tief bewegt und trocknete sich die Augen mit dem Saum ihrer Schürze.
    Sein Gaumen konnte die Marke des Weines nicht erkennen, aber er wußte sofort, es war ein ausländischer Wein, vielleicht ein spanischer oder chilenischer, bei den Extravaganzen dieses Tages war es aber auch nicht ausgeschlossen, daß es sich um einen französischen Wein handelte. Der Truthahn war zart und das Püree wie Butter. Es gab einen Salat aus verschiedenen Kohlsorten mit Rosinen, von dem er trotz seiner Prinzipien in Diätfragen noch einmal nehmen mußte. Er genoß ein drittes Glas Wein und begann eine angenehme Müdigkeit zu verspüren, als er Richard auf sich zukommen sah. Er balancierte ein Glas Whisky in der Hand, seine Augen waren glasig, und die Stimme überschlug sich:
    »Gibt es was Alberneres als eine Hochzeitsfeier, Onkel?« murmelte er, machte eine abfällige Bewegung zu allem, was sie umgab, und ließ sich neben ihm in einen Stuhl fallen. Seine Krawatte hatte sich gelockert, ein frischer Fleck verunzierte den Aufschlag seines grauen Anzugs, und in seinen Augen hatte sich neben den Spuren des Alkohols eine ozeanische Wut
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