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Tante Dimity und das verborgene Grab

Tante Dimity und das verborgene Grab

Titel: Tante Dimity und das verborgene Grab
Autoren: Nancy Atherton
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ist unsere liebe Freundin …«
    »… Francesca Angelica Sciaparelli.«
    Die dunkeläugige Frau, die gerade Will in den Laufstall gelegt hatte, richtete sich auf.
    »Guten Tag«, sagte sie.
    Wie zur Antwort spuckte Rob mir einen Teil seiner letzten Mahlzeit über die Schulter.
    »Kommen Sie, geben Sie ihn mir.« Die Frau kam zu mir herüber und streckte die Arme aus.
    »Ich wasche ihn, und Sie können sich eine saubere Bluse anziehen.«
    Ich weiß nicht, warum ich ihr Rob so bereitwillig gab. Vielleicht lag es daran, dass ich dem Urteil der Pyms vertraute. Vielleicht war es auch die Tatsache, dass sie einfach so bereit war, ein mit Avocadobrei verschmiertes vier Monate altes Baby zu übernehmen, oder es war der Geruch, der von meiner Bluse ausging – bereits der zweiten Bluse an diesem Tag. Was mich aber völlig überzeugte, so glaube ich, war das Lächeln in ihren Augen, das ein stilles Verstehen ausdrückte.

    »Es ist einfacher, wenn Sie mich Francesca nennen«, fügte sie in dem sanft rollenden Dialekt des Südwestens hinzu, der so gar nicht zu ihrem wenig englischen Namen passte. »Sciaparelli ist ein bisschen lang für den Hausgebrauch.«
    »Ich heiße Lori«, sagte ich.
    »Ich weiß.« Francesca drehte sich langsam um und nahm das Zimmer in Augenschein. »Ich habe dieses Haus immer geliebt.«
    »Sie waren schon einmal hier?«
    »Sehr oft«, sagte Francesca. »Miss Westwood ist nach dem Krieg nach London gezogen, aber sie behielt das Cottage als eine Art Zuflucht.
    Wenn sie weg war, hat mein Vater sich um das Haus gekümmert. Miss Westwood ist meiner Familie immer eine gute Freundin gewesen.«
    »Sie war auch mir eine gute Freundin«, sagte ich.
    »Das glaube ich gern.« Francesca schloss die Augen und sog die Luft ein. »Flieder. Ein wunderbarer Duft. Flieder war Miss Westwoods Lieblingspflanze. Seltsam, was für Erinnerungen so ein Duft wecken kann. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich schwören, dass Miss Westwood selbst hier irgendwo ist.«
    »Es liegt sicher daran, dass ich hier nichts ver
    ändert habe«, sagte ich rasch. »Das Haus ist weitgehend noch so, wie Dimity es hinterlassen hat – bis auf die Unordnung.«
    Ich bereitete mich innerlich auf den kurzen Augenblick der Trennung von meinen Söhnen vor, aber ermahnte mich dann, nicht so albern zu sein. Wenn Dimity einen nach Flieder duftenden Willkommensteppich für Francesca Sciaparelli ausrollte, brauchte ich mir sicher keine Sorgen zu machen.
    »Ich werde … ich bin gleich zurück.« Ich küsste Robs Füßchen, und zum ersten Mal seit der Geburt der Zwillinge ging ich allein die Treppe hinauf.
    Als ich im Schlafzimmer stand, geriet ich in Panik. Ich riss mir die Schürze und die schmutzige Bluse herunter und warf sie in Richtung Wä
    schekorb, um dann hastig eine saubere Bluse aus dem Schrank zu nehmen. Während ich sie noch zuknöpfte, wollte ich schon wieder zur Tür hinausrennen, als ich mich im großen Schlafzimmerspiegel sah und abrupt stehen blieb.
    Wer war dieses heruntergekommene Gespenst, das mich da anstarrte?
    Die kurzen dunklen Haare waren mit angetrocknetem Avocadopüree verklebt, die Augen vor Müdigkeit rot gerändert, und während sich die Bluse über den ungewöhnlich vollen Brüsten spannte, hingen die Jeans mir lose um die Hüften wie bei einer Vogelscheuche. Ich streckte die Hand nach meinem Spiegelbild aus, und mir wurde schaudernd klar, dass das, was ich sah, ein blasser, müder Abklatsch meiner selbst war.
    »Mein Gott«, murmelte ich völlig benommen,
    »ich sehe ja noch fürchterlicher aus als das Wohnzimmer. Warum hat Bill mir nicht …«
    Ich beendete die dumme Frage nicht. Bill hätte Feuerwerk und Leuchtraketen abschießen können, und es hätte nicht die geringste Wirkung auf mich gezeigt. Mein eigenes Leben war wegen der Zwillinge seit vier Monaten zum Stillstand gekommen, und kein Bitten, Drängen oder vernünftiges Argumentieren hätte mich dazu bewegt, meine Prioritäten zu ändern.
    Aber damit musste nun Schluss sein. Bill hatte Recht, die Jungen waren kerngesund. Nicht nur hatten sie ihre Altersgruppe eingeholt, sie rangierten bereits im oberen Bereich sämtlicher Wachstumstabellen, die Dr. Hawkings heranzog.
    Der Kinderarzt hatte keine Erklärung dafür, aber vielleicht hatte Bill den Nagel auf den Kopf getroffen: Vielleicht hatte ich es wirklich großartig gemacht.
    Ich wollte noch mal einen stolzen Blick in den Spiegel werfen, aber mein Spiegelbild war so erbärmlich, dass ich zurückschreckte. Das
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