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Tante Dimity und das verborgene Grab

Tante Dimity und das verborgene Grab

Titel: Tante Dimity und das verborgene Grab
Autoren: Nancy Atherton
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nicht einmal den Teppich erreichten, und sagte: »Aha.«
    In seiner Stimme war etwas, das mich innehalten ließ. Ich starrte auf die Matratze, sah hin
    über zu den Jungen und wich dann vor dem Bett zurück, als stünde es in Flammen. »Bill«, flüsterte ich erschreckt, »was mache ich eigentlich hier?«
    »Die Frage ist eher, was du nicht machst.« Bill nahm mich bei der Hand und zog mich zum Sessel neben dem Toilettentisch. Er schob die Matratze wieder aufs Bett zurück, hockte sich einen Moment hin, um Will auf den Bauch zu prusten und Rob neckend zu kitzeln, dann setzte er sich vor mich auf die Fußbank. »Du schläfst kaum«, erklärte er. »Du isst nicht vernünftig. Du hast kaum Bewegung an der frischen Luft.« Er sah die Matratze bedeutungsvoll an. »Kein Wunder, dass du langsam durchdrehst.«
    »Aber … aber die Jungen …«, jammerte ich.
    »Die Jungen sind kerngesund und munter«, unterbrach Bill mich. Er drehte sich um und schnitt seinen zufrieden vor sich hin brabbernden Söhnen ein Gesicht. »Schau sie dir an.
    Dr. Hawkings hat selbst gesagt, dass er noch nie Frühchen gesehen hat, die so prächtig gedeihen.
    Du machst es großartig, Lori.«
    Ich lächelte mühsam. » Wir machen es großartig.«
    »Ich helfe, so gut ich kann«, sagte Bill, indem er sich mir wieder zuwandte, »aber ich bin nicht den ganzen Tag hier wie du. Ein Kind kann eine Mutter schon bis zur Erschöpfung fordern, und du hast zwei. Gib’s zu, Schatz – du bist zahlenmäßig unterlegen.«
    Ich lehnte mich im Sessel zurück und nickte kleinlaut. »Ich bin in letzter Zeit auch so viel müder als früher.«
    »Und erschöpfter«, sagte Bill mit Nachdruck.
    »Jetzt, wo die Jungen aus dem Gröbsten heraus sind und anfangen, feste Nahrung zu essen, wird es Zeit, dass du dir eine Pause gönnst.«
    »Ich soll meine Babys verlassen?«, fragte ich entsetzt.
    »Natürlich nicht«, sagte Bill schnell. »Aber ich habe die Sache mit Dimity besprochen …«
    »Wann?«, wollte ich wissen. »Wann hast du mit Dimity darüber gesprochen?«
    »Vorige Woche, als du den Badezimmerschrank mit dem Vorhängeschloss gesichert und den Schlüssel versteckt hast, damit die Jungen ihn nicht finden«, erwiderte Bill. »Weißt du inzwischen wieder, wo du ihn hingetan hast?«
    »Äh …«
    »Macht nichts.« Bill zog meine Füße auf seinen Schoß und fing an, sie sanft zu massieren.
    »Hauptsache ist, dass Dimity es für richtig hält, dass wir jemanden einstellen, der dir mit Rob und Will hilft. Und das finde ich auch.«
    Ich sah ihn ungläubig an. »Das kann nicht dein Ernst sein. Ich würde meine Kinder nie einer Fremden überlassen.«
    »Dann kann sie mit der Wäsche und dem Kochen und der anderen Hausarbeit helfen«, war Bills vernünftige Antwort. »Egal was, die Hauptsache ist, du bist entlastet. Lori«, sagte er und nahm meine Zehen fest in die Hand, »Tante Dimity sagt, es sei Zeit, dass du dich um dich selbst kümmerst, sonst schadest du unseren Kindern mehr, als dass du ihnen nützt.«
    Bill hatte das Zauberwort gesprochen. Vernünftigerweise sagte er nichts weiter, sondern wartete auf die Wirkung. Er wusste, dass ich mich nie gegen das auflehnte, was Tante Dimity sagte – oder vielmehr, was sie schrieb, da die Gespräche mit ihr sich auf das beschränkten, was sie in ein kleines blaues Buch mit Ledereinband schrieb, das in unserem Arbeitszimmer lag. Seit der Geburt der Jungen war ich zu beschäftigt gewesen, mich an Tante Dimity zu wenden, aber es schien, dass sie mich beobachtete und sich Sorgen machte.
    Hatte ich ihr wirklich Anlass dazu gegeben? Ich schloss die Augen und dachte über die vergangenen drei Monate nach. Einige Szenen waren mir noch besonders deutlich in Erinnerung: wie während eines der häufigen Besuche von Willis senior Bill und sein Vater Seite an Seite Windeln wechseln; das erste Bad der Jungen in der gepolsterten Babybadewanne; dann ein kostbarer, stiller Morgen, Bill schaukelt Will, während ich Rob stille, wir beide im Schlafanzug und noch ganz verschlafen, aber völlig vernarrt in die zwei Bündel in unseren Armen. Aber die meisten dieser Erinnerungen sind unscharf, ein Tag verschwimmt mit dem nächsten, ohne Form und Unterschied, wie ein Aquarell, das in einen Regenguss geraten ist. So wollte ich mich an die Kindheit meiner Söhne spä
    ter eigentlich nicht erinnern.
    »Vielleicht habt ihr Recht, Dimity und du«, räumte ich schließlich ein. »Vielleicht habe ich es wirklich übertrieben.«
    Bill unterdrückte mühsam ein
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