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Tante Dimity und das verborgene Grab

Tante Dimity und das verborgene Grab

Titel: Tante Dimity und das verborgene Grab
Autoren: Nancy Atherton
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ihrem Leben – noch dazu einer, die sich nicht lange mit winzigen Löffelchen aufhielt, sondern ihnen erlaubte, ihre Hände direkt in den Brei zu tauchen – hatte die Jungen so beansprucht, dass es, sobald sie gebadet, gepudert und frisch gewickelt waren, nicht lange dauerte, bis sie eingeschlafen waren.
    Ehe ich jedoch meine Babys mit einer Fremden allein ließ, musste ich etwas klären. Während Francesca die Spülmaschine mit schmutzigem Geschirr bestückte, ging ich leise ins Arbeitszimmer, schloss die Tür hinter mir und nahm das blaue Tagebuch vom Regal. Dann knipste ich die Lampen überm Kamin an und kuschelte mich in einen der beiden hohen Ledersessel, die davor standen.

    »Dimity?«, sagte ich und öffnete das Tagebuch. »Ich möchte dich etwas fragen.«
    Ich sprach sehr leise, damit Francesca, wenn sie hereinkam, mich nicht dabei überraschte, wie ich mich mit einem Buch unterhielt. Bill wusste von dem blauen Buch, genau wie Emma und Derek Harris, aber bisher hatte ich der Versuchung widerstanden, andere einzuweihen. Ich hatte keine Lust, die Rolle des Dorfidioten zu spielen.
    Ich konnte es ja selbst kaum glauben und noch viel weniger erklären, wie oder warum es möglich war, dass sich Dimitys Geist immer noch im Cottage aufhielt, nachdem ihre sterblichen Reste längst unter der Erde waren – auf der anderen Seite konnte ich den Beweis, den ich mit eigenen Augen sah, nicht leugnen. Meine Skepsis verstummte, sobald Tante Dimitys Worte in eleganter Kursivschrift mit königsblauer Tinte auf den weißen, unlinierten Seiten des blauen Tagebuchs erschienen.
    »Tante Dimity?«, wiederholte ich. »Kannst du mich hören?«
    Nicht sehr gut .
    Nervös blickte ich zur Tür, während die altmodische Handschrift auf der Seite sichtbar wurde.

    Ich nehme an , du möchtest nicht , dass Francesca uns hört?
    »Ich glaube, sie könnte einen falschen Eindruck von uns bekommen«, flüsterte ich.
    Und wie findest du Francesca?
    »Sie ist fantastisch«, sagte ich anerkennend.
    »Die Kinder haben sich auf Anhieb bei ihr wohl gefühlt, und sie weiß auch, wie man mit Babys umgeht.«
    Aber?
    Ich seufzte. »Es geht um etwas, das Peggy Kitchen gesagt hat.«
    In dem Falle wird es wahrscheinlich völliger Unsinn sein . Was hat sie denn gesagt?
    »Nichts Konkretes. Aber sie deutete an, dass Francescas Vater etwas getan hat …«
    Kümmere dich nicht um Peggy Kitchen . Sie ist nicht fähig , Francesca gerecht zu beurteilen . Engstirnigkeit und Menschen , die nicht verzeihen können , sind der Fluch einer Dorfgemeinschaft .
    Ich sah wieder zur Tür und horchte einen Moment angestrengt nach draußen, dann wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder dem Tagebuch zu. »Warum kann sie Francesca nicht gerecht beurteilen?«
    Weil sie Francescas Vater gehasst hat . Piero Sciaparelli war ein Kriegsgefangener , musst du wissen . Er war 1942 in Nordafrika in Gefangenschaft geraten und arbeitete bis Kriegsende als Landarbeiter auf der Farm des alten Mr Hodge , ehe er ein oder zwei Jahre später ein Mädchen von hier heiratete . Piero und seine Frau haben sechs Kinder großgezogen , alle so englisch wie Plumpudding , bis auf ihre ausgefallenen Namen .
    Trotzdem haben manche Leute nie aufgehört , Piero als Feind zu betrachten . Wie ich schon sagte , Engstirnigkeit …
    »… und Menschen, die nicht verzeihen können«, beendete ich den Satz für sie. »Ich hätte es mir denken können. Tut mir Leid, Dimity, dass ich dich damit behelligt habe. Ich werde mir wegen der Kinder keine Sorgen mehr machen.«
    Das wirst du bestimmt noch , meine Liebe .
    Aber mit Francesca als Hilfe brauchst du dich nicht mehr ganz so oft zu sorgen .
    Ich schloss das Tagebuch und fuhr mit den Fingerspitzen über den glatten blauen Einband.
    Dimity erstaunte mich immer wieder aufs Neue.
    Ihr Verlobter war im Zweiten Weltkrieg gefallen, und sein Tod hatte wie ein Schatten auf ihrer Seele gelegen. Sie hatte nie geheiratet und nie Kinder gehabt, und dennoch missgönnte sie dem feindlichen Soldaten das Glück nicht, das ihr nicht vergönnt gewesen war. Ich weiß nicht, ob ich zu dieser Großzügigkeit fähig gewesen wäre, wenn eine feindliche Kugel mir Bill genommen hätte. Für einen Moment fragte ich mich, ob womöglich auch ein Teil von Peggy Kitchens Herz im afrikanischen Sand begraben lag.
    Die Kaminuhr schlug halb eins, und ich stellte das Tagebuch wieder ins Regal zurück. Ich konnte jetzt eigentlich zum Pfarrhaus hinüberfahren, mir die Szene des … ä hm … ansehen und
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