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Tal ohne Sonne

Tal ohne Sonne

Titel: Tal ohne Sonne
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihm bis Borneo nachfliegen. Dort wohnte ich in einem Camp, und Vater war tagelang im Urwald unterwegs, brachte kleine, nackte braune Menschen mit, die ihre Zähne spitz zugefeilt hatten, und sagte zu mir: ›Sieh sie dir an. Das sind echte Menschenfresser. Ich habe sie entdeckt.‹ Und dann gab es im Camp ein Trinkgelage, Affen wurden geschossen, und wenn sie aus dem Fell waren, sahen die Körper aus wie kleine Kinder. Dann mußten die Wilden uns zeigen, wie man bei ihnen das Fleisch zubereitet. Ich habe damals schrecklich geweint, weil es aussah, als fräßen sie tatsächlich gebratene Kinder. Er hat mich dann nie wieder zu einer seiner Forschungsreisen mitgenommen.« Sie schloß die Augen, als blicke sie jetzt nach innen und rufe die Erinnerung zurück. »Genaugenommen weiß ich wirklich wenig von meinem Vater. Als er vor zehn Jahren hier im Hochland verschwand, hatte ich ihn fast zwei Jahre nicht gesehen.«
    »Das heißt ganz nüchtern: Seit zwölf Jahren haben Sie keinen Vater mehr, Leonora. Und trotzdem wollen Sie sich jetzt in dieses lebensgefährliche Abenteuer stürzen?«
    »Nur, weil ich spüre, daß er noch lebt.«
    »Unter den Kopfjägern? Ich wiederhole immer wieder: Das gibt es nicht! Das Flugzeug ist spurlos verschwunden, der Pilot – den Namen habe ich vergessen – ist nie wieder aufgetaucht, genau wie Ihr Vater.«
    Sir Anthony wischte sich über die Augen und schüttelte den Kopf. »Aber warum sage ich das alles? Ich rede ja doch ins Leere. Sie werden Ihren Kopf durchsetzen.«
    »Gut, wenn Sie das einsehen, Sir Anthony.« Leonora lachte, aber es klang etwas gepreßt. »Wir werden die Expedition bis in die kleinste Kleinigkeit vorbereiten. Ich habe viel Zeit mitgebracht, viel Zeit …«
    Der holländische Geologe Fred Kreijsman war ein langer, dürrer Mensch Ende der Dreißig, mit schon schütterem blonden Haar, einem schmalen Gesicht und merkwürdig stechenden graugrünen Augen. Auf den ersten Blick war er eine unsympathische Erscheinung, aber dieses Vorurteil legte sich, wenn er sprach. Seine Stimme war dunkel und weich, und was er sagte, war immer wohlüberlegt, logisch und eingebettet in großes Wissen.
    Sir Anthony empfing ihn in seiner Bibliothek. Butler Herbert geleitete den Gast steif wie immer und mit deutlicher Kühle in den nach alter englischer Manier holzgetäfelten Raum und servierte sofort – auch das war Tradition – einen alten, trockenen Sherry, aus einer geschliffenen Kristallkaraffe natürlich.
    »Der interne Nachrichtendienst klappt also«, sagte General Lambs, nachdem er Kreijsman mit Handschlag begrüßt hatte.
    »Die ganze Stadt spricht schon darüber. Stimmt es, daß die Regierung die Genehmigung erteilt hat?«
    »So ist es.«
    »Erstaunlich. Mein Antrag läuft seit einem halben Jahr, und immer werde ich vertröstet.«
    »Suchen Sie auch Ihren Vater?«
    »Nein.« Kreijsmans Antwort war direkt. Er sah keinen Grund, sein Geheimnis zu verschweigen. »Diamanten.«
    »Im Hochland?« Lambs sah den holländischen Geologen voller Zweifel an. »In Papua gibt es keine Diamanten. Sind Sie bei geologischen Studien auf dieses Vorkommen gestoßen? Das wäre eine Sensation.«
    Kreijsman setzte sich in einen der verschlissenen Ledersessel der Bibliothek und wartete ab, bis Butler Herbert den Sherry serviert hatte und den Raum verließ. »Ich habe«, sagte er, »die alten Sagen der Papuas durchstudiert, so wie sie überliefert und von einigen Papua-Schriftstellern der Neuzeit wiedergegeben worden sind. Immer ist da die Rede von einem ›Glitzernden Berg‹, bei dessen Anblick man das Augenlicht verliert. In einer Sage ist die Rede von einer Höhle, deren Decke und Wände mit Sternen übersät sind und die von Dämonen bewacht wird. Das deutet alles auf ein Diamantenvorkommen hin, das man mit den Händen abbrechen kann wie einen Eiszapfen. Was ist der ›Glitzernde Berg‹? Gibt es wirklich im unerforschten Papua eine Diamantenmine ungeahnten Ausmaßes?«
    »Die Papuas sind Meister im Umschreiben von Dingen, die einen Zauber auf sie ausüben. Ein ›Glitzernder Berg‹ kann auch ein vereister Berg sein.«
    »Eine Eishöhle?«
    »Warum nicht? Wir haben eine Menge Viertausender im Hochland. Den Mount Wilhelmina mit fast viertausendsiebenhundert Metern, den Mount Kubor und den Mount Giluwe mit über viertausend Metern. Da sind Eishöhlen ohne weiteres möglich. Muß ich das einem Geologen erzählen? Diamanten – nein!« Sir Anthony schüttelte den Kopf. »Das ist ein Hirngespinst wie die
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