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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Autoren: Fritz J. Raddatz
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bejubelt worden sei (die Leute waren sehr nett zu mir), mit dem schließlich alles krönenden Satz: «Kurzum: Ich bin sensationell.» Das ist er – ein Alp. Wäre froh, den Menschen nie mehr im Leben wiedersehen zu müssen. Ranicki ist nun wahrlich nicht mein Freund – ihn aber den ganzen Abend «der Pole» zu nennen, das ist geradezu faschistisch. Im selben Ton über Augstein oder Wapnewski, Jens oder wen immer. Er ist erbarmungslos – und in seinem Urteil überhaupt nicht sicher, ich meine im literarischen auch. War Walser «nett» zu ihm, ist der groß, hat Handke ihn nicht gegrüßt, ist er nix. Von mir mit keinem Wort die Rede, ich meine meiner Arbeit, vom neuen Buch keine Silbe. Als ich – wie ein Testpilot – meine Geschichte mit Kunert und dessen vergebliche Einsätze für den Améry-Preis für mich berichtete, einleitend mit «Améry mochte mich ja sehr gerne und hat über mich geschrieben», nickte und bejahte er sonderbar heftig – bis sich herausstellte: Er hatte falsch gehört und meinte, ich spräche von ihm! Als ich nur sagte: «nein, es war von MIR die Rede», war in Sekundenschnelle ein anderes Thema, ein Vortrag von IHM dran. Das Merkwürdige ist, daß er mit einer Sache (die mal aufzudröseln interessant wäre) recht hat: daß wir uns in unseren Arbeiten berühren, sei es Genet oder Lukács, Sartre oder Karl Kraus oder Tucholsky oder Bloch. Wobei keiner dem anderen «nachschreibt», mal er, mal ich zuerst zum Thema. Ist das Eifersucht auf den («erfolgreichen») Jüngeren, muß (wie Henrichs, als ich’s im Ressort erzählte, sagte) für einen alten Mann – siehe Bucerius – die Welt mit ihm enden? Bucerius dagegen nexten Tag bei aufregender, fast seminarhaft intensiver Sitzung frisch und dann doch wieder sehr liberal: «Wenn ein solches Buch – wie das von Kuby – in diesem Land nicht mehr erscheinen darf, dann ist an dem Land etwas falsch.»
    Frankfurter Buchmesse, Oktober
    Buchmessen-Cafard: im «Hessischen Hof» nur alte Gespenster, Mumien aus Madame Tussaud. Ansonsten NUR Quark, nur Anrempelei von mindestens 100 Autoren und Verlegern: WANN WIRD MEIN BUCH IN DER ZEIT BESPROCHEN, mit der für mich sehr makabren Pointe, daß ich Adolf Muschg (der DIE NACHGEBORENEN ja für den SPIEGEL rezensieren wollte) bei Unseld traf und er als erstes von sich aus zu mir sagte: «Ich habe NIE vom SPIEGEL etwas gehört.» Also: Ich weiß nicht mehr, was ich zu derlei sagen soll, jedenfalls schon garnichts zu der pampigen Monika Böhme, die auf einem anderen Empfang, auch unaufgefordert, sagte: «Unser Abend war neulich auch OHNE euch sehr schön.» Gott sei Dank bin ich nicht langsam und schnippte zurück: «MIT uns wäre er bestimmt schöner gewesen …» Intrigen, nur Intrigen. Jeder gegen jeden. Der erste Verriß nun heute in der SZ, nicht «knallend», aber als erste Reaktion auf ein Buch was Negatives – zum Jauchzen auch das nicht. Im ganzen bleibt meine Metapher, daß der saure Regen auch über uns alle gekommen zu sein scheint. Passend: von George Weidenfeld zu Fest, von Sternberger bis Unseld – wem immer ich sagte: «Gabriele kommt dieses Jahr nicht», drehte sich in Sekundenschnelle um, sagte: «Ach so?» und weiter kein Wort. NIEMAND fragte, WO sie denn sei, wie es ihr ginge, was sie mache – es war halb, als wäre sie schon tot, und halb, als hätte ich mich unanständig benommen, in der Nase gebohrt. George schnaufte in Sekundenschnelle: «But YOU are in the zenith of your fame, everybody says so» – und war im selben Moment weg, nicht mal 1 Drink. Auch die Horst-Krüger-Party war fad, gereicht wurde die dünne Gratis-Sauce; IHR BUCH IST DAS GRÖSSTE DER MESSE. Und das Abendessen bei der DVA dann doch nicht meine Sache: Diese Konzentration von in feine Tücher genähten Reaktionären ist mir dann doch zu viel; allein die Art, wie sie über Frauen reden, im Kasinoton (wenn keine dabei ist) – ob nun Fest oder Siedler, Scholl-Latour oder Sternberger, not my cup of tea . Es hat etwas Unbarmherziges, Kultiviert-Widerliches. Da geh ich nicht mehr hin. Was nicht heißt, daß ich die diversen Schultz-Gersteins und ihre Genossen vom SPIEGEL herrlich fände. Dasselbe in Jeans … Ob man sich in Zukunft nicht einfach ersparen sollte, all dies «How are you?» und «Tag, Herr Piper» und «Wie geht’s, Erval?» – – – und lieber arbeitete? Es zehrt ja an den Kräften, ich habe NUR schlecht geschlafen in dem luftleeren Hotel-Loch, habe nur Kopfweh. Von der Messe bei Tatar und Krimi einen
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