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Tag des Opritschniks, Der

Tag des Opritschniks, Der

Titel: Tag des Opritschniks, Der
Autoren: Vladimir Sorokin
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selbst, die Strelitzen ringsum mit ihren Kaltfeuerkanonen hätten im Nu alles niedergemäht. Und ein Gesetz der Duma sieht vor, dass, wer von den Untergebenen sich mit einem Stock in der Hand dem Zugriff zu erwehren weiß, der Gnade des Gossudaren teilhaftig wird.
    Wir dringen vor. Das Anwesen ist solide, mit einem geräumigen Hof. Platz zum Ausholen! Die Wachen und das Gesinde harren unser, mit Knüppeln bewaffnet, auf einen Haufen gedrängt. Sie haben drei Kettenhunde dabei, die auf uns losgehen wollen. Sich mit so einer Meute anzulegen, ist ein hartes Brot. Da braucht es ein planvolles Herangehen. Das Staatsamt im gewitzten Handstreich ausüben. Ich hebe den Arm.
    »Alle mal herhören! Euer Herr hat sowieso ausgespielt!«
    »Wissen wir!«, brüllt die Wache. »Euch werden wir trotzdem die Krallen zeigen!«
    »Moment! Lasst uns zwei Stellvertreter wählen! Obsiegt euer Mann, so könnt ihr ungeschoren abziehen mit all eurer Habe. Unterliegt er, so fällt alles an uns.«
    Die Wache überlegt.
    »Schlagt ein, solange wir es uns nicht anders überlegen!«, rät Siwolai ihnen zu. »Wenn erst Verstärkung eingetroffen ist, putzen wir euch weg, so oder so! Gegen die Opritschnina ist kein Kraut gewachsen!«
    Die anderen beratschlagen.
    »Na schön!«, heißt es dann. »Womit wird gekämpft?«
    »Mit Fäusten!«, antworte ich.
    Ein Duellant tritt aus der Meute hervor: so ein Hüne von Stallknecht mit Kürbisgesicht. Wirft den Schafspelz ab, zieht Handschuhe über, wischt sich den Rotz von der Nase. Für diesen Fall sind wir gewappnet: Pogoda wirft Siwolai seinen schwarzen Kaftan in die Arme, zieht sich die Marderfellmütze vom Kopf, legt die Brokatjacke ab, lässt die strammen, rotseiden umspannten Muskeln spielen und zwinkert mir zu, während er nach vorne tritt. Gegen Pogoda ist im Faustkampf selbst der wackere Maslo ein junger Spund. Pogoda ist nichtgroß, aber breit in den Schultern, von kernigem Knochenbau, wendig und flink. Einen Treffer in seine glatte Visage zu landen, ist schwer. Von ihm eine gelangt zu kriegen – mittenrein ins Weiche –, umso leichter.
    Mutwillig, die Augen spöttisch zusammengekniffen, schaut Pogoda seinem Widersacher entgegen, schwenkt die seidenglänzende Taille.
    »Na, was ist, Plumpsack! Bist du bereit für eine Tracht Prügel?«
    »Freu dich nicht zu früh, Opritschnik!«
    Die beiden Kämpfer umkreisen sich, schätzen einander ab.
    Ihre Kleidung, ihr Stand könnten unterschiedlicher nicht sein, sie dienen sehr verschiedenen Herren – und sind doch aus demselben russischen Holz geschnitzt. Zupackende Naturen, wie Russen nun einmal sind.
    Wir stellen uns im Kreis um die beiden auf, Seite an Seite mit den Bediensteten. Beim Faustkampf ist das normal. Da sind sich alle gleich, ob Bauer oder Adelsmann, Scherge oder Beamter. Die Faust hat das Sagen.
    Pogoda lacht, zwinkert dem Stallknecht zu, lässt seine strammen Muskeln spielen. Und der Kerl kann nicht länger an sich halten, kommt gesprungen, schwingt die bleischwere Faust. Pogoda duckt sich und setzt dem Stallknecht im selben Moment kurz und trocken eine in die Herzgrube. Der japst, hält aber stand. Pogoda tänzelt schon wieder um ihn herum, wiegt die Schultern wie eine züchtige Jungfer, zwinkert, zeigt seine rosa Zunge. Der Stallknecht mag solche Tänze nicht, er grunzt und holt wieder aus. Doch Pogoda kommt ihm zuvor: eine links ans Jochbein, eine rechts in die Rippen – zack! zack! –, dass es knackt. Der bleiernen Faust ist er dabei erneut ausgewichen. Der Stallknecht brüllt auf wie ein Bär, schwingt die Tatzen, von denen dieHandschuhe heruntersegeln. Es hilft ihm alles nichts: Er fängt schon wieder eine in den Magen, eine gegen den Rotzkolben: krach! Davon gerät der Bursche ins Straucheln, ein besoffener Tanzbär. Jetzt hat er beide Hände verschränkt, schwingt sie brüllend durch die frostklare Luft wie eine Axt – alles umsonst: Plopp-plopp-plopp! prasseln Pogodas Fäuste auf ihn ein. Die Stallknechtvisage suppt schon, ein Auge ist blau, aus der Nase trieft es rot. Blutstropfen fliegen umher, funkelnd in der Wintersonne wie Rubine landen sie im zertrampelten Schnee.
    In der Meute verdüstern sich die Mienen. Meine Männer zwinkern einander zu. Der Stallknecht schwankt, schnieft durch die zerschlagene Nase, spuckt Zahnkrümel. Noch ein Hieb und noch einer. Der Bursche weicht zurück, fuchtelt wie ein Honigbär vor den aufgescheuchten Bienen. Und Pogoda lässt nicht locker: Noch eine! Und noch eine! Hart und zielsicher
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